In diesem Abschnitt werden einige Grundbegriffe der Mengenlehre und grundlegende Prinzipien der mathematischen Logik bereitgestellt. Für die nachfolgenden Betrachtungen benutzen wir stets den „naiven“ Mengenbegriff, wie ihn Georg Cantor geprägt hat.
Nach Cantor ist eine Menge eine Zusammenfassung bestimmter, wohlunterschiedener Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die Elemente von genannt werden) zu einem Ganzen.
Wie üblich benutzen wir das Symbol um auszudrücken, daß das Element zu der Menge gehört: .
Der Cantor’sche Mengenbegriff erwies sich jedoch als widersprüchlich. Um die Jahrhundertwende 1900 wurden mehrere Antinomien konstruiert. Eine – wohl die bekannteste – die 1901 von B. Russel gefunden wurde, sei hier wiedergegeben.
Wäre Cantors Mengenbegriff korrekt, dann ließe sich die Menge aller Mengen bilden, die sich selbst nicht als Element enthalten.
Für alle Mengen gilt dann: genau dann, wenn .
Da selbst eine Menge ist, müßte speziell für gelten:
genau dann, wenn
Dies liefert offensichtlich einen Widerspruch.
Wir wollen Mengen aber trotzdem in diesem „naiven“ anschaulichen Sinne verstehen. Eine logisch befriedigende Einführung in die Mengenlehre sprengt den Rahmen dieses Buches.
Elementare mengentheoretische Operationen und Relationen
Wir führen zunächst folgende Bezeichnungen ein:
Ist eine Eigenschaft für Elemente (Mengen sind natürlich ebenfalls Elemente) – dies könnte z.B. oder auch sein, wobei eine gegebene Menge ist – dann bezeichne die Zusammenfassung aller Elemente mit der Eigenschaft (dies muß, entsprechend der konstruierten Antinomie, nicht wieder eine Menge sein).
Ist ein Element, dann ist die Menge, die aus genau dem einen Element besteht. Analog soll die Menge sein, die aus genau den Elementen besteht. Dabei werden die Elemente in der Menge natürlich nur einmal „gezählt“, falls sie in der Auflistung mehrfach auftreten.
Im folgenden seien Mengen.
Gleichheit von Mengen
Zwei Mengen sind genau dann gleich, wenn sie die gleichen Elemente enthalten, d.h.,
Für jedes gilt: genau dann, wenn
Teilmengenbeziehung oder Inklusion
Für jedes gilt: wenn so (Inklusion)
und (echte Inklusion) d.h., und es gibt ein , so daß , und
Will man aus einer gegebenen Menge die Teilmenge der Elemente mit einer bestimmten Eigenschaft – etwa – aussondern, dann kennzeichnen wir dies durch
Durchschnitt und Vereinigung von Mengen
und (Durchschnitt; vgl. Abb. 1.1)
oder (Vereinigung; vgl. Abb. 1.2 )
Differenz und Komplement von Mengen
und (Mengendifferenz; vgl. Abb. 1.3)
Ist eine Bezugsmenge gegeben, z.B. , dann läßt sich auch das Komplement einer Teilmenge von bilden:
und (Komplement bez. ; vgl. Abb. 1.4)
Geordnetes Paar
Der Sinn dieser Definition ist nicht unmittelbar einsichtig. Er besteht vorwiegend darin, daß nur mengentheoretische Grundbegriffe verwendet werden und daß sich die folgende grundlegende Eigenschaft für geordnete Paare recht leicht nachweisen läßt:
genau dann, wenn und
Sinngemäß definiert man den Begriff des Tripels und schließlich induktiv den des -Tupels:
, (Tripel )
(-Tupel )
Kartesisches Produkt
und (Produkt zweier Mengen)
(Produkt endlich vieler Mengen)
Potenzmenge
(Menge aller Teilmengen von )
Aus Bequemlichkeitsgründen soll auch die „Zusammenfassung“ von Objekten, die gar kein Element enthält, als Menge bezeichnet werden, und zwar als
Leere Menge
Manchmal ist es erforderlich, bei Durchschnitten oder Vereinigungen mit mehr als zwei Mengen zu operieren. Dazu betrachten wir jetzt eine Menge , deren Elemente selbst wieder Mengen sind. heißt dann auch System von Mengen.
Definition. (Durchschnitt und Vereinigung von Mengensystemen)
(1) heißt Durchschnitt von
=Df
Bez.:
(2) heißt Vereinigung von
=Df
Bez.:
Bemerkung. Häufig wird ein System von Mengen dadurch gegeben, daß man von einer sog. Indexmenge ausgeht, jedem „Index“ eine Menge zuordnet und die Mengen zu einer neuen Menge zusammenfaßt.
Für das so gewonnene Mengensystem kann man dann den Durchschnitt bzw. die Vereinigung wie folgt schreiben:
bzw.
Es ließen sich hier natürlich weitere solcher Grundbegriffe auflisten. Für unsere Zwecke reichen die bisher gegebenen aber zunächst aus.
In mathematischen Definitionen und Sätzen benutzt man sehr häufig die folgenden Bindewörter bzw. Wortverbindungen:
nicht, und, oder, wenn – so, genau dann – wenn (oder einfach gdw), für jedes , es gibt ein ,
die der Reihe nach auch als
Negation, Konjunktion, Alternative, Implikation, Äquivalenz, All-Quantor, Existenz-Quantor
bezeichnet werden, und für die man gelegentlich der Reihe nach folgende Abkürzungen benutzt:
Es hat sich gezeigt, daß man in der Mathematik alle Aussagen schon allein mittels gewisser „Grundaussagen“ (gebildet mit Hilfe des Mengenbegriffs, der Elementbeziehung und der Gleichheitsrelation) und den oben gegebenen Bindewörtern und Wortverbindungen formulieren kann. Es wäre natürlich nicht vernünftig, alle mathematischen Aussagen auf solche „Grundaussagen“ zurückzuführen, da man kompliziertere Aussagen (etwa aus der Analysis) in dieser „Sprache“ kaum noch verstehen könnte. Daher ist es sehr hilfreich, sich weitere Grundbausteine zu definieren. Hierzu gehören insbesondere Relationen und Funktionen (oder Abbildungen).
Definition. (Relation)
(1) ist eine 2-stellige Relation
=Df
(2) ist eine -stellige Relation ()
=Df
(3) ist eine -stellige Relation in M ()
=Df
Zum Beispiel ist eine 2-stellige Relation in .
Definition. (Funktion oder Abbildung)
(1) ist eine Funktion (oder Abbildung)
=Df
(2) ist eine Funktion aus in
=Df
Bez.:
(3) ist eine Funktion von in
=Df
Bez.:
In diesem Falle heißt Definitionsbereich (oder domain) von und
es existiert ein , so daß
Wertebereich oder Bild (oder image) von
Bez.: und
Für Abbildungen gilt also im allgemeinen nur und heißt auch Zielbereich (oder range) von .
Definition. Es sei eine Abbildung von in .
(1) ist surjektiv oder eine Abbildung auf
=Df
(2) ist injektiv oder eineindeutig von in
=Df
(3) ist bijektiv oder eineindeutig von auf
=Df
Eine wesentliche Aufgabe der Mathematik besteht darin, die Gültigkeit oder Ungültigkeit von mathematischen Aussagen (Behauptungen, Theoremen, …) zu überprüfen. In diesem Zusammenhang erhebt sich sofort die Frage nach dem Wahrheitswert (wahr := W bzw. falsch := F) einer zusammengesetzten Aussage in Abhängigkeit von den Wahrheitswerten ihrer einzelnen Bestandteile. Wir setzen hierbei das logische Prinzip der Zweiwertigkeit voraus, nämlich, daß jede mathematische Aussage entweder wahr oder falsch ist. In Form von Schemata (Wahrheitswerttabellen) kann der Wahrheitwert aussagenlogisch zusammengesetzter Aussagen dargestellt werden. Hierzu seien und beliebige Aussagen. Wir bilden aus kompliziertere Aussagen, die mit Hilfe von nicht, und, oder, wenn – so, gdw zusammengesetzt sind. Dann gilt:
|
|
W | F |
F | W |
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|
|
W | W | W | W | W | W |
W | F | F | W | F | F |
F | W | F | W | W | F |
F | F | F | F | W | W |
|
Die Implikation „Wenn , so “ ist immer schon dann wahr, wenn die Voraussetzung falsch ist. (In solchen Implikationen nennt man Voraussetzung und Behauptung.) Dies führt gelegentlich zu Irritationen. Aber, in der Mathematik wird die Implikation genau so benutzt. An dem folgenden kleinen Beispiel soll dies erläutert werden.
Wählt man für ( teilt 2) und für , dann erhält man die für alle natürlichen Zahlen gültige Beziehung
Wenn , so .
Dies ist insbesondere richtig für . Also
für entsteht ( W – W),
für entsteht ( F – W),
für entsteht ( F – F).
Die Gültigkeitsuntersuchungen von Aussagen, die mit Hilfe von Quantoren gebildet sind, erweisen sich als wesentlich komplizierter.
Ist ein Ausdruck (Eigenschaft), der etwas über die Elemente einer Menge aussagt, dann wird festgelegt:
Die Aussage „Für jedes “ ist wahr in =Df Für ein beliebiges trifft auf zu.
Die Aussage „Es gibt ein “ ist wahr in =Df In existiert ein Element , so daß auf zutrifft.
Bei der Untersuchung des Wahrheitsgehalts einer mathematischen Aussage spielen Verneinungen eine wichtige Rolle. Wir werden jetzt zur besseren Veranschaulichung der logischen Struktur von Aussagen die früher eingeführten Abkürzungen benutzen. Z.B. anstatt
„wenn (wenn , so ) und (wenn , so ), so (wenn , so )“
schreiben wir kürzer
Im folgenden seien Aussagen.
Definition. (Äquivalenz von Aussagen) und sind äquivalent =Df ist wahr. Bez.: gdw
Wir geben jetzt Regeln für die Verneinung zusammengesetzter Aussagen an. Durch schrittweise Anwendung dieser Regeln lassen sich beliebige mathematische Aussagen verneinen.
Daraus ergeben sich sofort die folgenden Äquivalenzen:
,
.
Es werden jetzt einige wahre Aussagen betrachtet, die aufgrund ihrer logischen Struktur häufig als Beweisprinzipien auftreten. (In der Regel benutzt man diese Prinzipien schon rein intuitiv richtig.)
(Modus ponens oder Abtrennungsregel )
Aus der Gültigkeit der Aussagen und , schließt man auf die Gültigkeit der Aussage .
Analog interpretiert man auch die folgenden Prinzipien:
(Kettenschluß )
(Kontraposition)
Die Kontraposition besagt, daß die Aussagen und stets den gleichen Wahrheitswert besitzen. Dies darf allerdings nicht verwechselt werden mit der Umkehrung der Implikation . Die Aussagen und sind im allgemeinen nicht äquivalent.
(indirekter Beweis; steht für eine beliebige falsche Aussage)
Praktisch geht man beim indirekten Beweis folgendermaßen
vor:
Man nimmt an, daß die Aussage
falsch ist, also die Negation
gilt. Dann leitet man aus
dieser Annahme etwas Falsches her, d.h., man erzeugt einen Widerspruch.
(Dies wird häufig einfach durch das Symbol
! ausgedrückt). Daraus
schließt man, daß die Aussage
nicht richtig sein kann;
also gilt die Aussage
(Hierbei
wird ganz wesentlich das Prinzip der Zweiwertigkeit benutzt.)
Die wichtigste Beweismethode für Aussagen über natürliche Zahlen ist die vollständige Induktion. Sie beruht auf dem
Induktionsaxiom:
Es sei eine Eigenschaft für natürliche Zahlen . Dann gilt
Um die Aussage zu beweisen, genügt es:
1. zu zeigen (Anfangsschritt) und
2. nachzuweisen (Induktionsschritt).
Bei der Eigenschaft 2. betrachtet man ein beliebiges und zeigt:
Wenn , so .
heißt Induktionsvoraussetzung, Induktionsbehauptung.
Eigentlich müßte beim Induktionsschritt eine Fallunterscheidung durchgeführt werden:
Fall (a): ist falsch.
Dann ist die Implikation aber trivialerweise richtig. Daher läßt man diesen Fall im Induktionsbeweis in der Regel weg und betrachtet nur noch
Fall (b): ist richtig.
Unter dieser Voraussetzung ist dann die Gültigkeit von zu zeigen.
Achtung: Häufig findet man bei „Anfängern“ die folgende falsche Formulierung im Induktionsschritt:
„Für beliebiges wird vorausgesetzt, daß schon gilt.“
Wer dies so formuliert, hat die Behauptung bereits vorausgesetzt.
Modifikationen des Induktionsaxioms
(1)
(2)
(1) liefert das Beweisprinzip von für alle und (2) das von für alle mit .
Schwerpunkte für die Wiederholung von Kapitel 1