Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die reellen Zahlen einzuführen, wenn man die rationalen Zahlen bereits definiert hat. Die geläufigsten Verfahren verwenden Dedekindsche Schnitte oder Cauchyfolgen im Bereich der rationalen Zahlen. Die anschaulich einfachste Methode benutzt Dedekindsche Schnitte. Wir werden hier nur ganz kurz auf diese Methode eingehen. Ansonsten setzen wir voraus, daß die reellen Zahlen schon definiert sind. Wir stellen hier lediglich die Grundeigenschaften der reellen Zahlen zusammen, die auch als „Axiome“ aufgefaßt werden können, und benutzen nur diese Axiome beim späteren Beweisen weiterer Eigenschaften von reellen Zahlen.
Es sei die geordnete Menge der rationalen Zahlen und seien nicht-leere Teilmengen von . Das Paar heißt Dedekindscher Schnitt in , wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
(1) und .
(2) Für jedes gilt: Wenn und , so .
Der Dedekindsche Schnitt definiert eine Zerlegung von in zwei disjunkte Klassen, wobei Unterklasse und Oberklasse bei der Zerlegung genannt wird. Der Eindeutigkeit wegen betrachten wir nur solche Schnitte, bei denen die jeweilige Unterklasse kein größtes Element enthält. Diese reichen aus, um die reellen Zahlen zu definieren.
Für gibt es zwei Möglichkeiten:
1.
2.
Im ersten Fall legt der Dedekindsche Schnitt die rationale Zahl fest, im zweiten Fall bestimmt eine sogenannte Lücke. Die „Lücken“ werden als die irrationalen Zahlen interpretiert. Die Menge der reellen Zahlen wird dann als Menge aller Dedekindschen Schnitte definiert. Eine reelle Zahl ist also nach dieser Definition ein Dedekindscher Schnitt. Das eigentliche Problem besteht nun darin, in der Menge der so gegebenen reellen Zahlen eine Addition und eine Multiplikation zu definieren und eine Ordnungsrelation festzulegen. Hierzu muß aber auf die einschlägige Literatur verwiesen werden.
Es bleibt noch die Frage zu diskutieren, ob es überhaupt irrationale Zahlen gibt. Es könnte doch sein, daß für jeden Dedekindschen Schnitt die entsprechende Oberklasse ein kleinstes Element enthält. Dazu betrachten wir den Schnitt , so daß
und ; und
.
Angenommen, enthält ein kleinstes Element . Dann ist mit und . (Wäre , dann ließe sich eine rationale Zahl konstruieren mit und Damit ist nicht kleinstes Element in .) Folglich existieren positive ganze Zahlen und , so daß . und seien o.B.d.A. teilerfremd. Dann gilt:
und damit .
Also . Da 2 eine Primzahl ist, gilt auch . Folglich existiert eine natürliche Zahl , so daß . Damit haben wir und schließlich . Also und somit . Folglich ist ein Teiler von und . Das widerspricht aber der Voraussetzung, daß und teilerfremd sind. Damit bestimmt eine Lücke, also eine irrationale Zahl.
Dies zeigt, daß nicht rational ist.
Wir befassen uns nun mit den grundlegenden Eigenschaften der reellen Zahlen.
2.1 Eigenschaften der reellen Zahlen – Axiome
Zunächst betrachten wir ein geeignetes Axiomensystem der reellen Zahlen, das in vier Gruppen unterteilt ist. Dazu sei eine Menge (Menge der reellen Zahlen). In sind zwei 2-stellige Operationen und und eine 2-stellige Relation definiert, so daß gilt:
I. ist ein Körper (d.h., in gelten folgende 10 Eigenschaften:)
(1) ,
(2) ,
(3) Es existiert ein Element in , so daß für jedes gilt: .
(4) Für jedes existiert ein , so daß
Dieses durch eindeutig bestimmte wird mit bezeichnet. Die Eigenschaften (1) – (4) sind die Axiome für eine additive abelsche Gruppe.
(5)
(6)
(7) Es existiert ein Element in , so daß für jedes gilt: .
(8) Für jedes mit existiert ein mit
Dieses durch eindeutig bestimmte wird mit bezeichnet.
(9)
(10)
II. ist ein geordneter Körper
(d.h., in gelten zusätzlich die folgenden 5 Eigenschaften:)
(1) Wenn und , so . (Transitivität)
(2) Wenn und , so . (Antisymmetrie)
(3) Für jedes gilt: oder . (Linearität)
(4) Wenn , so . (Monotonie der Addition)
(5) Wenn und , so .
Wenn und , so .
Es läßt sich leicht nachweisen, daß . Wie üblich ist eine andere Schreibweise für .
III. ist ein archimedisch geordneter Körper
(d.h., in gilt zusätzlich das archimedische Axiom)
Dies bedeutet, daß durch endlich-oft-maliges Addieren einer positiven reellen Zahl zu sich selbst schließlich jede reelle Zahl übertroffen werden kann.
Bevor das letzte Axiom für die reellen Zahlen formuliert werden kann, benötigen wir noch einige Definitionen und Bezeichnungen.
Definition. Es seien und .
Bez.:
Achtung: Die Bezeichnung ist doppeldeutig; sie kennzeichnet geordnete Paare und offene Intervalle. Dies wird aber nicht zu Verwechslungen führen. Die aktuelle Bedeutung ergibt sich jeweils aus dem Zusammenhang.
IV. genügt dem Intervallschachtelungsaxiom:
Es sei eine Folge von abgeschlossenen Intervallen in , so daß für jede natürliche Zahl gilt: . Dann gibt es ein , so daß , für jede natürliche Zahl .
Anschauliche Deutung des Axioms: Wie die Intervalle auch beschaffen sind, sie können sich nicht auf eine „Lücke zusammenziehen“; sie schachteln stets wenigstens eine reelle Zahl ein.
I – IV können als Axiome für die reellen Zahlen aufgefaßt werden. Nur diese Eigenschaften von reellen Zahlen werden bei späteren Beweisen wirklich benutzt.
Definiert man die reellen Zahlen (mit einer der bekannten Methoden) aus der Menge der rationalen Zahlen, dann werden die Eigenschaften I – IV natürlich beweisbare Sätze.
2.2 Rechnen mit reellen Zahlen
Wir verabreden zunächst folgende Bezeichnungen:
Das durch eindeutig bestimmte Element heißt invers zu .
Falls , dann heißt reziprok (oder invers bez. der Multiplikation) zu .
und dienen als Abkürzungen für bzw. für
Daraus ergibt sich sofort:
Satz 2.1 Für alle gilt:
.
, falls .
, falls .
Beweis. (1). Nach Eigenschaft I(4) ist Weiterhin gilt Folglich sind und inverse Elemente von . Da das Inverse eines Elements eindeutig bestimmt ist, muß sein.
Es ist stets , speziell auch für . Folglich gilt nach I(2) , also
Weiterhin ist und Dann gilt
Folglich ist invers zu . Andererseits ist auch invers zu . Da das inverse Element von eindeutig bestimmt ist, gilt .
Die Behauptungen (2) – (4) bleiben als Übungsaufgaben.
Satz 2.2 Für alle reellen Zahlen gilt:
.
nicht (Irreflexivität)
Wenn und , so (Transitivität)
Für jedes gilt: oder oder (Konnexität)
Bemerkung. Die Eigenschaften (1) – (3) sind die Axiome für die irreflexive Ordnung.
Es gilt genau eine der drei Beziehungen (Trichotomie)
Wenn so (Monotonie der Addition)
Es gilt
Wenn so
Beweis. Wir beweisen hier nicht alle diese Eigenschaften, sondern greifen uns nur einige als Beispiele heraus. Die verbleibenden Behauptungen werden durch ähnliche Überlegungen gezeigt. Zur Erinnerung sei noch einmal erwähnt, daß und .
(0). I(10) besagt: II(3) liefert oder
Wäre , so erhielte man aus II(4):
Folglich wäre Aus II(5) erhält man dann (mit Hilfe von Satz 2.1)
Also
und
Aus II(3)
folgt dann
! (zu I(10))
(1). (Beweis indirekt.)
Angenommen, es gibt ein mit
Nach Definition gilt:
Da
stets falsch ist, ist
auch die Konjunktion
und damit auch
stets falsch.
!
(5). Teil 1: Sei und .
Man hat zu zeigen, daß .
Es genügt zu zeigen: und . Es gilt und Aus folgt: , also Wegen gilt dann: und somit nach II(4)
Es bleibt noch zu zeigen:
Annahme,
Wegen existiert folglich ist
also im Widerspruch zu
Den 2. Teil der Behauptung (5) beweist man analog.
(7). Sei , also .
Folglich ist und daher
Also .
Angenommen: .
Dann gilt
!
Die Umkehrung beweist man analog.
(11). Sei , dann ist nach (10) auch . Wegen gibt es nach dem archimedischen Axiom eine natürliche Zahl , so daß . Analog gibt es eine natürliche Zahl , so daß . Nach (10) erhält man daraus
Definition. (Potenz) (induktive Definition)
Sei und
= Df ,
= Df
Bemerkung. Das Rechnen mit Potenzen wird als bekannt vorausgesetzt. Für sei .
Satz 2.3 Ist , und , dann gibt es genau ein , so daß
Bez.: (-te Wurzel aus )
Beweis. Um zu zeigen, daß es genau ein solches gibt, hat man einerseits die Existenz und andererseits die Eindeutigkeit nachzuweisen. Wir beginnen mit dem einfacheren Eindeutigkeitsbeweis.
1. Eindeutigkeit.
Angenommen, es existieren verschiedene mit .
Sei o.B.d.A.
.
Dann zeigt man leicht (mit Hilfe von Satz 2.2(5)) induktiv
über
,
daß
.
!
2. Existenz.
Es genügt, den Satz für zu beweisen. Ist nämlich , dann leistet das Verlangte, und ist , so ist Für existiert nach dem obigen Fall schon ein mit . Folglich ist .
leistet somit das Verlangte.
Es sei nun
(Zum Beweis wird eine geeignete Intervallschachtelung betrachtet.)
Wir definieren eine Folge von Intervallen mit folgenden Eigenschaften:
und für alle .
Die Definition erfolgt induktiv über .
Eine Lösung für und muß – falls eine solche existiert – in dem Intervall liegen. Denn angenommen, . Dann ist auch , also . Wäre andererseits , so wäre auch und somit wiederum Wir brauchen also nur in dem Intervall nach einer Lösung zu suchen.
Daher beginnen wir mit .
Dann gilt
Es sei (der Mittelpunkt des Intervalls ).
Für sind zwei Fälle möglich:
(a) oder
(b)
Entsprechend dieser Fallunterscheidung definieren wir das Intervall .
Es sei
und , falls und
und , falls .
Dann gilt offenbar
und .
Die gleichen Überlegungen werden im -ten Schritt angewendet. Die Ausführung des ersten Schrittes – wir haben mit dem 0-tem Schritt begonnen – ist natürlich bei dieser induktiven Definition nicht notwendig, da er als Spezialfall des -ten Schrittes auftritt. Er wurde hier nur des besseren Verständnisses wegen angegeben.
Für seien und (nach Induktionsvoraussetzung) schon definiert und zwar mit den geforderten Eigenschaften:
und
Wir betrachten jetzt (den Mittelpunkt des Intervalls ).
Für sind zwei Fälle möglich:
(a) oder
(b)
Entsprechend dieser beiden Fälle definiert man das -te Intervall wie folgt:
und , falls und
und , falls .
Damit ist eine Intervallschachtelung mit den gewünschten Eigenschaften konstruiert.
Nach dem Intervallschachtelungsaxiom gibt es ein , so daß für jedes
Behauptung:
Der Beweis hierzu erfolgt indirekt.
Annahme:
Dann ist oder Wir betrachten den Fall , den verbleibenden Fall beweist man völlig analog.
Wegen ist Es gilt
und
Folglich ist
Also
für jedes
Es sei jetzt Dann ist und schließlich
Um diesen letzten Ausdruck weiter umformen zu können, benötigen wir noch einen wichtigen Hilfssatz.
Lemma. (Bernoullische Ungleichung)
Ist , und ist eine natürliche Zahl, dann gilt
Beweis. Den Beweis führt
man leicht induktiv über
,
er bleibt als
Übungsaufgabe.
Korollar. Sind und ist , dann existiert eine natürliche Zahl , so daß
Beweis. Der Beweis erfolgt
ohne Schwierigkeiten mit Hilfe der Bernoullischen
Ungleichung und des archimedischen Axioms. (Übungsaufgabe!)
Wir setzen jetzt den begonnenen Beweis des Satzes 2.3 fort.
Wegen (denn ) gilt
und somit also
Mit Hilfe der Bernoullischen Ungleichung erhält man dann
Folglich ist
Wegen (dies ist induktiv über nachzuweisen) erhält man schließlich aus und der letzten Ungleichung
Damit haben wir
Wegen (dies ist induktiv nachzuweisen) erhält man für und mit Hilfe des archimedischen Axioms schließlich für hinreichend große
Aus der Annahme
hatten wir
aber schon geschlossen, daß
für alle
gilt. Dies führt zu einem Widerspruch. Folglich kann die Annahme nicht
richtig gewesen sein.
Also
Bemerkung. Damit ist die -te Wurzel aus einer positiven reellen Zahl definiert, und diese Wurzel ist selbst positiv.
Definition. (Potenzen mit rationalen Exponenten)
Es seien , und es sei und
Satz 2.4
Zwischen je zwei rationalen Zahlen liegt eine irrationale Zahl.
Beweis. (1). Es seien und . Dann ist (nach Satz 2.2(12). Sind zusätzlich und rational, dann ist auch rational.
(2). Seien wieder und .
Wir konstruieren eine rationale Zahl mit der Eigenschaft .
Wegen existiert (nach Satz 2.2 (11)) eine natürliche Zahl , so daß
und damit
1. Fall:
Nach dem archimedischen Axiom gibt es ein , so daß
Sei die kleinste natürliche Zahl mit also
Wegen ist dann
leistet also das Verlangte.
2. Fall:
Nach Satz 2.2(11) existiert ein mit ; also leistet das Verlangte.
3. Fall: ; trivial.
4. Fall: also
Wie im 2. Fall existiert ein , so daß Folglich ist
5. Fall: also
Nach dem Fall 1 existiert eine rationale Zahl , so daß , folglich ist und
(3). Es seien und also
Nach dem archimedischen Axiom existiert ein , so daß Daraus folgt
und
Es bleibt zu zeigen, daß irrational ist.
Annahme: ist rational.
Dann ist wegen
auch
rational.
!
Nach dem letzten Satz könnte man versucht sein anzunehmen, daß es genauso viele rationale wie reelle Zahlen gibt. Dies erweist sich aber als falsch. Ehe wir uns diesem Problem zuwenden, werden wir zunächst klären, was unter „gleich viele“ bzw. „gleichmächtig“ zu verstehen ist.
Definition. (gleichmächtig)
Zwei Mengen und sind gleichmächtig (Bez.: ) =Df
Wenn , dann heißt auch abzählbar (unendlich).
Ist unendlich aber nicht gleichmächtig mit der Menge der natürlichen Zahlen, dann heißt überabzählbar.
Satz 2.5
Beweis. (1). Der Beweis erfolgt mit dem ersten Cantorschen Diagonalverfahren.
Wir setzen hierbei voraus, daß man jede positive rationale Zahl als Bruch zweier positiver natürlicher Zahlen darstellen kann. Offenbar kommt jede positive rationale Zahl in dem folgenden unendlichen Schema wenigstens einmal (sogar unendlich oft) vor.
Entsprechend der Pfeilrichtungen (diagonal) werden alle Brüche aufgelistet:
Wir lassen jetzt alle die rationalen Zahlen weg, die in der Auflistung zuvor schon einmal aufgetreten sind; es sind dies Damit entsteht eine neue Auflistung , in der jede positive rationale Zahl genau einmal vorkommt. Folglich ist
Definiert man eine Abbildung wie folgt:
und für jedes
dann ist offenbar eine Bijektion zwischen und und folglich ist abzählbar.
(2). Der Beweis erfolgt mit dem zweiten Cantorschen Diagonalverfahren.
Angenommen, das Intervall ist abzählbar.
Wir setzen hierbei voraus, daß jede reelle Zahl aus eine eindeutige Darstellung als unendlicher Dezimalbruch der Form besitzt, wobei ist und 9-Periode ausgeschlossen wird. Denn ist und , dann ist eine weitere Darstellung von . Damit wäre die Eindeutigkeit der Darstellbarkeit verletzt.
Nach der obigen Annahme ist . Folglich gibt es eine Aufzählung der reellen Zahlen in (eineindeutige Numerierung mit natürlichen Zahlen):
wobei und 9-Periode nicht auftritt. Nach Voraussetzung erscheint in dieser Aufzählung jede reelle Zahl aus genau einmal.
Wir konstruieren jetzt ein , das in dieser Aufzählung nicht vorkommt und erhalten somit einen Widerspruch.
Sei
mit
und
für alle
.
Dann ist
insbesondere
und
unterscheidet
sich von jedem
wenigstens an der
-ten
Stelle.
!
Absolutbetrag von reellen Zahlen
Definition. Seien
Bez.:
Satz 2.6 Für alle gilt:
, und
und wenn und , so
falls
Beweis. Die Eigenschaften
lassen sich leicht auf die Definition zurückführen; ihr Beweis bleibt als
Übung.
Satz 2.7
Für alle gilt:
Beweis. (1). Nach Satz 2.6(3) gilt: und
1. Fall:
2. Fall:
In jedem Fall ist also
(2). Nach (1) gilt:
Analog erhält man
Also , und somit gilt
2.3 Mengen von reellen Zahlen
Wir stellen jetzt einige grundlegende Eigenschaften von Mengen von reellen Zahlen zusammen. Hierbei nutzen wir ganz wesentlich die Ordnung von aus.
Definition. (Schranke)
Sei und .
(1) ist eine obere Schranke von
=Df für jedes
(2) ist eine untere Schranke von
=Df für jedes
(3) ist nach oben (bzw. unten) beschränkt
=Df besitzt eine obere (bzw. untere) Schranke.
(4) ist beschränkt
=Df ist nach oben und nach unten beschränkt.
Definition. (Grenze)
Sei und
(1) Sei nach oben beschränkt. ist obere Grenze von
=Df ist die kleinste obere Schranke von
Bez.: (Supremum von ).
(2) Sei nach unten beschränkt. ist untere Grenze von
=Df ist die größte untere Schranke von
Bez.: (Infimum von ).
Diese Definition bedarf einer Rechtfertigung. Es muß nämlich nachgewiesen werden, daß eine kleinste obere bzw. größte untere Schranke überhaupt existiert. Dies erfolgt mit dem nachfolgenden Satz.
Satz 2.8
)
Bemerkung. Teil (1) des Satzes heißt: Satz von der oberen Grenze. Er hat grundlegende Bedeutung für die Analysis. (1) ist unter anderem auch äquivalent zum Intervallschachtelungsaxiom, d.h., man kann anstelle von Axiom IV für die reellen Zahlen auch den Satz von der oberen Grenze wählen.
Beweis. Sei und
(1). Es sei und eine obere Schranke von . Wenn überhaupt eine obere Grenze besitzt, dann muß sie schon in dem Intervall liegen. Denn ist dann ist keine obere Schranke von und damit erst recht keine obere Grenze. Ist dann ist nicht die kleinste obere Schranke von Wir brauchen also nur in dem Intervall nach einer oberen Grenze von zu suchen, und dies geschieht mit Hilfe einer Intervallschachtelung.
Wir konstruieren eine Intervallfolge mit den folgenden Eigenschaften:
Wir starten mit
Es sei Für sind zwei Fälle möglich, nämlich:
(a) ist eine obere Schranke von oder
(b) ist keine obere Schranke von . Dann existiert ein , so daß
Entsprechend dieser Fallunterscheidung definieren wir das Intervall
falls eine obere Schranke von ist,
falls keine obere Schranke von ist.
Damit gilt stets und ist eine obere Schranke von
Weiterhin gibt es ein mit , und schließlich ist
Bemerkung. Die Definition des Intervalls hätte man sich ersparen können, da als Spezialfall von auftritt. Nur des besseren Verständnisses wegen ist dieser Fall hier diskutiert worden.
Seien nun (entsprechend der Induktionsvoraussetzung) und schon mit den geforderten Eigenschaften definiert.
Es sei
Analog wie im ersten Schritt können für wieder zwei Fälle eintreten:
(a) ist eine obere Schranke von oder
(b) ist keine obere Schranke von
Entsprechend dieser Fälle definieren wir:
falls eine obere Schranke von ist,
falls keine obere Schranke von ist.
Man überprüft leicht, daß eine Intervallschachtelung mit den gewünschten Eigenschaften ist.
Nach dem Intervallschachtelungsaxiom existiert ein , so daß für alle
Behauptung 1: ist eine obere Schranke von
Es ist zu zeigen: Für jedes gilt:
Annahme: ist keine obere Schranke von .
Dann existiert ein mit Da nach Definition eine obere Schranke von ist, gilt: für jedes
Es ist und wegen erhält man für hinreichend große .
Dies liefert einen Widerspruch.
Behauptung 2: ist die kleinste obere Schranke (also obere Grenze) von .
Annahme: ist nicht die kleinste obere Schranke von .
Dann gibt es eine kleinere obere Schranke von , also , und ist ebenfalls eine obere Schranke von .
Nach Voraussetzung existiert für ein , so daß . Wegen gilt insgesamt
Analog wie beim Beweis von Behauptung 1 erhält man einen Widerspruch.
Folglich ist obere Grenze von
(2) bleibt als Übungsaufgabe.
(3). Zusammenfassung von (1) und (2).
Bemerkung. Wir haben gezeigt, daß unter Benutzung der Axiome I – IV der Satz von der oberen Grenze gilt. Man kann auch umgekehrt unter Benutzung der Axiome I – III und des Satzes von der oberen Grenze zeigen, daß das Intervallschachtelungsaxiom gilt, d.h., unter Zugrundelegung der Axiome I – III sind das Intervallschachtelungsaxiom und der Satz von der oberen Grenze äquivalent.
Wir geben jetzt einen Beweis hierfür an.
Mit Hilfe des Intervallschachtelungsaxioms wurde bereits der Satz von der oberen Grenze bewiesen. Es bleibt noch zu zeigen, daß auch das Intervallschachtelungsaxiom aus diesem Satz folgt.
Dazu sei eine Intervallschachtelung und . Dann ist und durch jedes nach oben beschränkt. Folglich besitzt eine obere Grenze , und somit ist stets .
Es bleibt zu zeigen: für alle .
Angenommen, es gibt ein , so daß
Nach den obigen Betrachtungen ist
eine obere Schranke von
,
die kleiner als
ist.
Folglich ist
nicht
obere Grenze von
.
!
Definition. (Maximum, Minimum)
Sei und
(1) besitzt ein Maximum
=Df Es existiert ein , so daß für jedes
Bez.: ( heißt Maximum von ).
(2) besitzt ein Minimum
=Df Es existiert ein , so daß für jedes
Bez.: ( heißt Minimum von ).
Folgerung.
(1) Besitzt ein Maximum (bzw. Minimum), so ist (bzw. ).
(2) Gehören (bzw. ) zu , dann gilt stets (bzw. ).
Definition. (Umgebung)
Es sei und
(1) heißt -Umgebung von
=Df
Bez.:
(2) ist eine Umgebung von
=Df Es gibt ein , so daß .
Bez.: .
Definition. (Häufungspunkt)
Sei und
ist ein Häufungspunkt von
=Df
Satz 2.9 Ist ein Häufungspunkt von , dann liegen in jeder -Umgebung von unendlich viele Elemente aus
Beweis. Sei ein Häufungspunkt von und
Annahme: In gibt es nur endlich viele Elemente mit es seien dies
Wegen , ist
Sei .
Nach Definition des Häufungspunktes existiert ein , so daß und ; also
Wegen ist und damit Folglich ist und somit , also .
Sei für ein . Dann ist
!
Folglich ist unsere Annahme falsch.
Satz 2.10 Sei und die Menge aller Häufungspunkte von . Ist ein Häufungspunkt von , dann ist schon ein Häufungspunkt von
Beweis. Sei ein Häufungspunkt von und
z.z.: In gibt es ein mit
Da ein Häufungspunkt von ist, existiert ein , so daß und Folglich ist ein Häufungspunkt von . Dann existieren in jeder -Umgebung von (mit ) unendlich viele Elemente aus . Insbesondere gibt es dann ein mit und
Insgesamt haben wir: und
Wir wählen speziell also Folglich gilt
Also
,
und
Satz 2.11 Satz von Bolzano-Weierstraß
Jede unendliche und beschränkte Menge von reellen Zahlen besitzt wenigstens einen Häufungspunkt.
Beweis. (Beweis mit Intervallschachtelung!)
Sei unendlich und beschränkt. Dann existieren Elemente , so daß für jedes
Wir konstruieren eine Intervallschachtelung mit folgenden Eigenschaften:
Sei
Dann ist und unendlich.
Sei Dann ist
Da unendlich viele Elemente aus enthält, muß dies auch für oder für gelten.
Entsprechend dieser Fallunterscheidung definieren wir:
falls unendlich ist und
anderenfalls ( unendlich).
In jedem Falle ist unendlich, und weiterhin gilt und
Seien schon (entsprechend der Induktionsvoraussetzung) mit den geforderten Eigenschaften definiert.
Sei
Da und unendlich ist, gilt:
ist unendlich oder ist unendlich. Entsprechend dieser Fallunterscheidung definiert man:
falls unendlich ist und
sonst.
Offensichtlich besitzt die geforderten Eigenschaften.
Nach dem Intervallschachtelungsaxiom gibt es ein so daß für alle .
Behauptung: ist ein Häufungspunkt von
z.z.: Wenn , dann existiert ein mit und
Wählt man so groß, daß dann ist wegen auch und damit . Schließlich gilt:
Da
unendlich
viele Elemente aus
enthält, liegen auch unendlich viele Elemente aus
in
.
Folglich ist
ein Häufungspunkt
von
Schwerpunkte für die Wiederholung von Kapitel 2