Wir befassen uns in diesem Abschnitt mit Zahlenfolgen, die u.a. zur Einführung und Behandlung des für die Analysis äußerst wichtigen Grenzwertbegriffes unerläßlich sind.

Definition. (Folge) F ist eine Folge (von reellen Zahlen) =Df

F ist eine Abbildung von IN in IR, d.h., jeder natürlichen Zahl n wird eine reelle Zahl an zugeordnet, so daß F(n) = an.

     Bez.: F = (an)n=0,1,2, oder einfach F = (an).

Die an heißen Folgeglieder. Für den praktischen Gebrauch kann die Folge auch mit dem Glied ak, k > 0, beginnen. Hierzu müßte die Definition wie folgt verallgemeinert werden: Eine Folge F ist eine Abbildung aus IN in IR, wobei D(F) unendlich ist.

Beispiele.

(an) = 1 n + 1 = 1 1,1 2,1 3,1 4,.

Betrachtet man (an) = 1 n, dann wird selbstverständlich angenommen, daß die Folge nicht mit a0 beginnt, sondern erst mit a1.

(an) = 1 - (-1)n n + 1 = 0,1,0,1 2,0,1 3,,

(an) = 1 + 1 n + 1n+1 = 1 + 1 11 2,1 + 1 22 9 4 ,1 + 1 33 64 27 ,,

(an) = (-1)n = (1, - 1,1, - 1,1,-1,),

(an) = (0) = (0,0,0,),

(an) = (n) = (0,1,2,3,).

Nicht alle Folgen, die man bilden kann, sind für uns interessant. Wir sondern mit Hilfe einer Definition eine besonders wichtige Teilklasse aus.

3.1 Konvergenz von Folgen

Definition. (Konvergenz) Sei (an) eine Folge und a IR. (an) ist konvergent gegen a =Df

Für jedes ε > 0 existiert ein n0, so daß für jedes n n0 gilt: |an - a| < ε. In diesem Falle heißt a Grenzwert oder Limes von (an).

     Bez.:

a = lim nan oder a = lim an oder auch einfach

anna oder an a.

Um den Konvergenzbegriff möglichst anschaulich zu formulieren, sagen wir auch: In jeder ε-Umgebung von a liegen fast alle Folgeglieder an. „Fast alle“ bedeutet „alle, mit Ausnahme höchstens endlich vieler“.

Definition. (1) (an) konvergiert (oder ist konvergent) in IR   =Df

Es existiert ein a IR, so daß (an) gegen a konvergiert.
(2) (an) divergiert (oder ist divergent) in IR   =Df
(an) ist nicht konvergent in IR.

Bemerkung. Im folgenden bedeutet „Konvergenz“ – wenn nichts anderes vereinbart wird – immer „Konvergenz“ in IR.

Beispiele. 1. Sei (an) = 1 n. Behauptung: (an) konvergiert gegen 0. Beweis. z.z.: Für beliebiges ε > 0 gibt es ein n0, so daß für jedes n n0 gilt: 1 n - 0 = 1 n < ε. Sei ε > 0. Nach Satz 2.2(11) existiert ein n0, so daß 1 n0 < ε. Für n n0 ist dann 1 n - 0 = 1 n 1 n0 < ε. Also lim 1 n = 0.

2. Sei (an) = 2n2 n2 + 2n + 3. Behauptung: an 2. Beweis. Sei ε > 0. Es ist

    

|an - 2| = 2n2 n2 + 2n + 3 - 2 = 2n2 - 2n2 - 4n - 6 n2 + 2n + 3

= - 4n - 6 n2 + 2n + 3 = 4n + 6 n2 + 2n + 3

= 4n n2 + 2n + 3 4n n2 + 6 n2 + 2n + 3 6 2n

4 n + 3 n = 7 n.

Ist n0 > 7 ε, dann gilt für alle n n0 :

     |an - 2| 7 n 7 n0 < ε.

3. Sei (an) = (-1)n. Behauptung: (an) ist divergent (in IR). Annahme: (an) konvergiert gegen a IR. Nach Definition der Konvergenz erhält man: Für jedes ε > 0 existiert ein n0, so daß für jedes n n0 gilt: |an - a| < ε. Dies gilt insbesondere für ε = 1. Für a sind zwei Fälle möglich: a 0 oder a < 0. Fall 1. a 0.

Ist n ungerade, dann ist an = -1. Folglich ist

     1 = ε > |an - a| = |- 1 - a| = |1 + a| 1, PICT   !

Fall 2. a < 1.

Ist n gerade, dann ist an = 1 und damit gilt

     1 = ε > |an - a| = |1 + (-a) >0| > 1, PICT   !

Folglich ist (an) nicht konvergent.

Satz 3.1 Eine Folge (an) hat höchstens einen Grenzwert (d.h., (an) konvergiert gegen höchstens eine Zahl).

Beweis. Angenommen, an a und an b und ab. Dann ist |a - b| > 0. Nach Definition der Konvergenz gilt:

Für jedes ε > 0 existiert ein n0, so daß für jedes n n0 : |an - a| < ε, und

es existiert ein m0, so daß für jedes n m0 : |an - b| < ε.

Das gilt speziell für ε = |a - b| 2 .

Ist k = max{n0,m0}, dann gilt für n k

     |a - b| = |a - an + an - b||a - an| + |an - b| < 2ε.

Also

     |a - b| < 2ε = 2 |a - b| 2 = |a - b| PICT   !   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Definition. (Nullfolge) Eine Folge (an) heißt Nullfolge =Df

(an) konvergiert gegen 0.

Beispiele.

1. 1 n  und  (0) sind triviale Beispiele für Nullfolgen.

2. Es sei |a| < 1 und (an) = (an). Um nachzuweisen, daß (an) eine Nullfolge ist, g.z.z.: Wenn ε > 0, dann existiert ein n0, so daß für jedes n n0 : |an - 0| < ε.

Sei ε > 0. Für a = 0 ist die Behauptung trivial. Es sei jetzt a0. Wegen |a| < 1 ist 1 |a| > 1.

Nach dem Korollar zur Bernoullischen Ungleichung existiert für 1 ε eine natürliche Zahl n0, so daß 1 |a|n0 > 1 ε. Folglich ist 1 |a0|n0 > 1 ε, also |a|n0 < ε. Für n n0 gilt

damit |an - 0| = |a|n |a|n0 < ε.

Satz 3.2 (an) konvergiert gegen a (an - a) konvergiert gegen 0.

Beweis. Trivial.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Definition. (Beschränktheit bei Folgen) Sei (an) eine Folge von reellen Zahlen.

(1) (an) ist nach oben (bzw. nach unten) beschränkt   =Df

Es existiert ein c IR, so daß an c (bzw. c an) für jedes n.

(2) (an) ist beschränkt   =Df

(an) ist nach oben und nach unten beschränkt.

Folgerung. (an) ist beschränkt gdw ein c IR existiert, so daß |an| c.

Beispiel. (an) = 100n n! ist beschränkt.

     100n n! = 1000 0! 1, 1001 1! 100, 1002 2! 5000,,100100 100! , 100101 101! ,

0 ist offenbar eine untere Schranke von (an). Es bleibt noch nachzuweisen, daß es auch eine obere Schranke gibt, obwohl es aufgrund der ersten Glieder nicht so zu sein scheint.

Für n 100 und n = 100 + k ist

     an = 100100+k (100 + k)! = 100100 100! 100k 101 1012(100 + k) <1 100100 100! = a100.

Für n < 100 ist offensichtlich an a100. Folglich ist a100 eine obere Schranke von (an).

Bemerkung. 100n n! ist sogar eine Nullfolge. Denn für n = 100 + k und k 0 ist

      an = 100100+k (100 + k)! = 100100 100! :=c 100k 101 102(100 + k) 100 100+k c 100 100 + k;

und für beliebiges ε > 0 ist dann

      c 100 100 + k < ε c 100 ε < 100 + k = n,

d.h., für fast alle n gilt |an - 0| = |a100+k| < ε.

Satz 3.3 Jede konvergente Folge ist beschränkt.

Beweis. Es sei (an) konvergent gegen a. Für ε = 1 existiert dann ein n0, so daß für jedes n n0 gilt: |an - a| < ε = 1. Es sei d := max{|a0 - a| : n < n0}, |an - a| d für alle n < n0. Für beliebige n gilt dann: |an - a| < 1 + d. Hieraus erhält man

     |an| = |an - a + a||an - a|<1+d + |a| < 1 + d + |a| := c.

Folglich ist (an) beschränkt.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Definition. (Häufungspunkt einer Folge) Es sei (an) eine Folge und a IR. a ist ein Häufungspunkt (oder Verdichtungspunkt) von (an)

=Df
In jeder ε-Umgebung von a liegen unendlich viele Folgeglieder an (die untereinander auch gleich sein dürfen, d.h., für jedes ε > 0 und für jedes n0 gibt es ein n n0, so daß |an - a| < ε).

Satz 3.4 Jede beschränkte Folge besitzt wenigstens einen Häufungspunkt.

Beweis. Sei (an) beschränkt und M = {an : n IN}. 1. Fall: M ist endlich. Dann müssen unendlich viele Folgeglieder untereinander gleich sein:

an0 = an1 = an2 = := a. Folglich ist a ein Häufungspunkt von (an). 2. Fall: M ist unendlich. Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß besitzt M als nicht-leere und beschränkte Menge einen Häufungspunkt a. Dieses a ist dann auch Häufungspunkt der Folge (an).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Bemerkung. Es gibt Folgen, die nicht beschränkt sind und

  (a) keinen Häufungspunkt besitzen,   (b) genau einen Häufungspunkt besitzen,   (c) für jedes k IN genau k Häufungspunkte besitzen bzw.   (d) unendlich viele Häufungspunkte besitzen.

Beispiele. (a) (an) = (1, 2, 3,) (kein Häufungspunkt) (b) (an) = (0, 1, 0, 2, 0, 3,) (genau ein Häufungspunkt) (c) (an) = (1,,k, 1, 1,,k, 2, 1,,k, 3, 1,,k, 4,) (genau k Häufungspunkte) (d) Übungsaufgabe !

Definition. (Teilfolge) Es sei (an) eine Folge und n0 < n1 < n2 < (d.h., ni < nj für i < j; i,j IN). Dann heißt anii=0,1,2, Teilfolge von (an).

Satz 3.5 (an) konvergiert gegen a jede Teilfolge von (an) konvergiert gegen a.

Beweis. () Sei an a und (ani) eine Teilfolge von (an). Wegen an a gilt: Für jedes ε > 0 existiert ein m0, so daß für jedes n m0 : |an - a| < ε. Das gilt insbesondere für alle ni m0. Offenbar ist ni i und damit |ani - a| < ε für alle i m0. () trivial, denn (an) ist eine spezielle Teilfolge von sich selbst.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 3.6 Ist a ein Häufungspunkt der Folge (an), dann existiert eine Teilfolge von (an), die gegen a konvergiert.

Beweis. Sei a ein Häufungspunkt von (an). Dann gilt: Für jedes ε > 0 und für jedes n0 existiert ein n n0, so daß |an - a| < ε. Für n = 1, 2, 3, wählen wir εn = 1 n. Damit erhält man:

    für ε1 = 1  und  n0 = 1  gibt es ein  n1 n0,  so daß  |an1 - a| < ε1 = 1;

    für ε2 = 1 2  und  n0 = n1 + 1  gibt es ein  n2 n0,  so daß  |an2 - a| < ε2 = 1 2;

    für ε3 = 1 3  und  n0 = n2 + 1  gibt es ein  n3 n0,  so daß  |an3 - a| < ε3 = 1 3;       ⋮      ⋮      ⋮      ⋮

Wegen n0 := 0 < n1 < n2 < ist (ani) eine Teilfolge von (an), und (ani) konvergiert offenbar gegen a.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Korollar. Jede beschränkte Folge enthält eine konvergente Teilfolge.

Beweis. Sei (an) beschränkt. Dann besitzt (an) einen Häufungspunkt (nach Satz 3.4) und schließlich eine konvergente Teilfolge (nach Satz 3.6).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Definition. (Limes superior, Limes inferior) Es sei (an) eine beschränkte Folge von reellen Zahlen und H(an) die Menge aller Häufungspunkte (oder Limites von konvergenten Teilfolgen) von (an). lim supn an := lim¯nan := sup H(an). sup H(an) heißt Limes superior oder oberer Limes von (an) [:= größter Häufungspunkt in H(an)]. lim infn an :=lim_nan := inf H(an),. inf H(an) heißt Limes inferior oder unterer Limes von (an) [:= kleinster Häufungspunkt in H(an)].

Bemerkung. Die Definition ist korrekt, denn (1) H(an), da (an) beschränkt ist. (2) H(an) ist beschränkt, denn (an) ist beschränkt; folglich existieren supH(an) und inf H(an). (3) Mit Satz 2.10 läßt sich zeigen, daß supH(an) = maxH(an) und inf H(an) = minH(an).   (Übungsaufgabe !)

Satz 3.7 Für beschränkte Folgen (an) sind die Bedingungen (1) -(3) äquivalent :   (1) (an) ist konvergent.   (2) (an) besitzt genau einen Häufungspunkt.   (3) lim_an = liman.

Beweis. Übungsaufgabe !   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Definition. (monoton wachsend bzw. monoton fallend ) Sei (an) eine Folge von reellen Zahlen. (1) (an) ist monoton wachsend (bzw. monoton fallend )   =Df

Für jedes n gilt: an an+1 (bzw. an+1 an).

(2) (an) ist streng monoton wachsend (bzw. streng monoton fallend )   =Df

Für jedes n gilt: an < an+1 (bzw. an+1 < an).

Für „monoton wachsend“ bzw. „monoton fallend“ schreiben wir gelegentlich auch einfach „monoton“.

Satz 3.8 Eine monotone Folge ist konvergent gdw sie beschränkt ist.

Beweis. () Konvergente Folgen sind beschränkt (nach Satz 3.3; hierzu ist die Monotonie nicht notwendig). () Sei (an) monoton wachsend und beschränkt (für „fallend“ verläuft der Beweis analog). z.z.: (an) ist konvergent. Sei a = sup{an : n IN}. Behauptung: an a. Sei ε > 0. Nach Voraussetzung ist a kleinste obere Schranke von (an), d.h., ist a < a, dann ist a keine obere Schranke von (an). Sei a = a - ε, dann existiert ein Folgeglied an0, so daß a - ε < an0. Da (an) monoton wächst, gilt für alle n n0 :

     a - ε < an0 an a, also |an - a| < ε für n n0.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Beispiel. (Definition der Eulerschen Zahl e)

Sei an = 1 + 1 nn.

Behauptung: (an) ist streng monoton wachsend und beschränkt. (Dann ist (an) nach Satz 3.8 konvergent.)

z.z.:

1. an < an+1 für jedes n und 2. (an) ist beschränkt.

Zu 1. g.z.z.: an+1 an > 1 (denn alle an sind positiv).

Es ist

     an+1 an = 1 + 1 n+1n+1 1 + 1 nn = n+2 n+1n+1 n+1 n n

        = n + 2 n + 1 n+2 n+1n n+1 n n = n + 2 n + 1 n(n + 2) (n + 1)2 n

        = n + 2 n + 1 (n + 1)2 - 1 (n + 1)2 = n + 2 n + 1 1 - 1 (n + 1)2n 1- n (n+1)2

        n + 2 n + 1 1 - n (n + 1)2   (nach der Bernoullischen Ungleichung)

        = n + 2 n + 1 n2 + n + 1 n2 + 2n + 1 > 1, denn

     n + 2 n + 1 n2 + n + 1 n2 + 2n + 1 > 1 (n + 2)(n2 + n + 1) > (n + 1)(n2 + 2n + 1)

           n3 + 3n2 + 3n + 2 > n3 + 3n2 + 3n + 1       (und die letzte Ungleichung gilt offensichtlich).

Also an < an+1 für jedes n, und damit ist (an) streng monoton wachsend.

Zu 2. (an) ist beschränkt.

Offenbar ist a1 = 1 + 1 11 = 2 a n für jedes n.

Weiterhin ist

     an = 1 + 1 nn < 1 + 1 nn 1 + 1 n>1 = 1 + 1 nn+1 := b n.

Es genügt zu zeigen, daß die Folge (bn) streng monoton fällt.

g.z.z.: bn bn+1 > 1 (denn alle bn sind positiv).

Der Beweis hierzu verläuft ähnlich wie für (an), er wird als Übungsaufgabe gestellt.

Damit haben wir

     b1 = 1 + 1 12 = 4 b n für jedes n.

Also

     2 an < an+1 < bn+1 < bn 4.

Dann ist (an) monoton wachsend und beschränkt, also konvergent und (bn) monoton fallend und beschränkt, und somit auch konvergent.

Folglich existieren Zahlen e und e, so daß

     lim 1 + 1 nn = e  und  lim 1 + 1 nn+1 = e.

Behauptung: e = e.

Annahme: ee.

Dann ist ε := |e - e| > 0, und folglich gilt für hinreichend große n

     |e - e| = |e - a n + an - bn + bn - e||e - a n|<ε 3 + |an - bn| + |bn - e| <ε 3

        < 2ε 3 + |an - bn|.

Schließlich gilt

     |an - bn| = 1 + 1 nn -1 + 1 nn+1 = 1 + 1 nn 1 -1 -1 n

         = 1 + 1 nn 4 1 n 4 1 n < ε 3, falls 12 ε < n.

Folglich ist ε = |e - e| < ε PICT   !

Also e = e.

Bemerkung. Wegen 2 an < e = e < b n 4 ist 1 + 1 nn < e < 1 + 1 nn+1;

folglich läßt sich e beliebig genau durch rationale Zahlen annähern: e 2, 7183, allerdings ist e selbst nicht rational.

Satz 3.9 (Cauchysches Konvergenzkriterium) Eine Folge (an) ist konvergent (in IR) gdw

für jedes ε > 0 ein n0 existiert, so daß für jedes m,n n0 gilt : |an - am| < ε.

Beweis. () Sei (an) konvergent, an a.

Nach Definition existiert für ε > 0 ein n0, so daß für n n0 stets gilt: |an - a| < ε 2. Folglich ist

     |an - am| = |an - a + a - am||an - a|<ε 2 + |a - am|<ε 2 < ε für m,n n0.

() Wir zeigen zunächst, daß (an) beschränkt ist.

Es sei ε = 1. Dann existiert ein n0, so daß |an - am| < 1 für jedes m,n n0. Für m = n0 ist insbesondere |an - an0| < 1.

Wir wählen d = max{|ai - an0| : i = 0,,n0 - 1}.

Dann gilt für beliebige n

     |an||an - an0 + an0||an - an0| + |an0| < 1 + d + |an0| := c.

Folglich ist (an) beschränkt. Damit besitzt (an) einen Häufungspunkt a und eine konvergierende Teilfolge (ani) mit aniia. (Korollar zu Satz 3.6; Satz 3.4)

Nach Definition gilt dann: Für jedes ε > 0 existiert ein m0, so daß für jedes ni m0 gilt: |ani - a| < ε 2.

Nach Voraussetzung existiert ein m0, so daß für jedes m,n m0 gilt: |am - an| < ε 2.

Für n,ni m0,m0 gilt dann

     |an - a||an - ani|<ε 2 + |ani - a|<ε 2 < ε.

     Also  an a.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Definition. (Cauchyfolge oder Fundamentalfolge) (an) ist eine Cauchyfolge (oder Fundamentalfolge) =Df

Für jedes ε > 0 existiert ein n0, so daß für jedes n,m n0 gilt: |an - am| < ε.

Korollar. Cauchyfolgen konvergieren in IR.

Beweis. Der Beweis ist nach Satz 3.9 trivial.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Da Cauchyfolgen in IR konvergieren, nennt man IR auch vollständig (bez. der Konvergenz von Cauchyfolgen). In diesem Sinne ist lQ nicht vollständig, denn 1 + 1 nn ist z.B. eine Cauchyfolge in lQ, aber sie ist in lQ nicht konvergent. Wir betrachten jetzt wieder Folgen in IR.

Satz 3.10 (Eigenschaften konvergenter Folgen) Es seien (an),(bn) konvergente Folgen und c,d seien reelle Zahlen. Dann gilt :   (1) (c an) ist konvergent und lim(c an) = c lim an.   (2) (an + bn) ist konvergent und lim(an + bn) = lim an + lim bn.   (3) (an bn) ist konvergent und lim(an bn) = lim an lim bn.   (4)

Sind alle bn0 und ist lim bn0, dann ist 1 bn konvergent und lim 1 bn = 1 lim bn.
  (4)
Sind alle bn0 und ist lim bn0, dann ist an bn konvergent und lim an bn = lim an lim bn .
  (5) (|an|) ist konvergent und lim |an| = | lim an|.   (6)
Ist an bn für jedes n, dann ist lim an lim bn. Ist insbesondere an d bzw. d bn für jedes n, dann ist lim an d bzw. d lim bn.

Beweis. Es sei lim an = a, lim bn = b und sei ε > 0. (1). Es ist |c an - c a| = |c||an - a| := (). 1. Fall: c = 0. () < ε für jedes n 0. 2. Fall: c0. |an - a| < ε |c| für fast alle n. Damit erhält man

     |c an - c a| = |c||an - a| < |c| ε |c| = ε für fast alle n.

In jedem Fall ist also

     lim(c an) = c a = c lim an.

(2). Nach Voraussetzung gilt: an a, bn b. Folglich existiert ein n0, so daß für jedes n n0:

     |an - a| < ε 2  und  |bn - b| < ε 2.

Daraus erhält man

     |(an + bn) - (a + b)| = |an - a + bn - b||an - a| + |bn - b| < ε

für n n0.

Also

     lim(an + bn) = a + b = lim an + lim bn.

(3). Es soll |an bn - a b| durch ε „abgeschätzt“ werden, und zwar für fast alle n. Es ist bekannt, daß |an - a|, |bn - b| „klein“ werden für hinreichend große n. Wir beginnen zu rechnen und versuchen ein n0 so zu finden, daß die Abschätzung gelingt.

    

|anbn - ab| = |anbn - anb + anb - ab|

|anbn - anb| + |anb - ab|

= |an|? |bn - b|klein + |b||an - a|klein := ()

Nach Voraussetzung ist (an) konvergent, also auch beschränkt durch ein c > 0, d.h., |an| c.

Daraus ergibt sich

     |an||bn - b| c |bn - b| < ε 2 |bn - b| < ε 2c.

Dies gilt aber nach (1) für hinreichend große n.

Analog gilt auch |b||an - a| < ε 2 für große n.

Damit erhält man insgesamt () < ε.

(4). Um diese Behauptung beweisen zu können, benötigen wir zunächst ein

Lemma. Wenn lim bn = b0, dann existiert ein m0, so daß für jedes n m0 gilt : |bn||b| 2 .

Beweis. Sei ε = |b| 2 . Wegen bn b gibt es ein m0, so daß für jedes n m0 gilt: |bn - b| < ε = |b| 2 .

Weiterhin gilt:

     |bn|-|b||bn - b| < |b| 2

     -|b| 2 < |bn|-|b| < |b| 2

     |b| 2 < |bn| < 3 2 |b|

     1 |bn| 2 |b|.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Beweis zu (4). Es ist

1 bn -1 b = b - bn bnb = 1 |bn||b||b - bn|

= 1 |bn| 2 |b| 1 |b||bn - b| 2 |b|2 |bn - b| := ( ).

Wegen bn b existiert für ε > 0 ein n0, so daß für jedes n n0 gilt:

     |bn - b| < ε 2 |b|2. ( ) < ε für n n0.

Also lim 1 bn = 1 b = 1 lim bn.

(4). Wegen bn0, bn b und b0 gilt 1 bn b. Da auch an a erhält man mit (3)

     an bn = an 1 bna 1 b = a b

     lim an bn = a b = lim an lim bn .

(5). Es ist |an|-|a||an - a| < ε für hinreichend große n. |an||a|. Also lim |an| = |a| = | lim an|.

(6). Sei cn := bn - an ( 0). g.z.z.: lim cn 0. Denn dann gilt ja

     0 lim cn = lim(bn - an) = lim bn - lim an

     lim an lim bn.

Annahme: lim cn := c < 0.

Sei ε = |c| 2 = -c 2. Dann liegen in Uε(c) fast alle cn.

     c - ε < cn < c + ε , also c --c 2 < cn < c + -c 2

     3 2 c < cn < c 2 < 0 PICT   !

Ist speziell an d, so ist lim an lim d = d (d als konstante Folge betrachtet).

Analoges gilt für d bn.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Definition. (bestimmte Divergenz) Es sei (an) eine Folge von reellen Zahlen.

(an) divergiert bestimmt gegen + (bzw. gegen -) =Df
Für jedes c IR existiert ein n0 , so daß für jedes n n0 gilt: c an (bzw. an c).
     Bez.:
lim an = + bzw. lim an = - oder auch an bzw. an -

Beispiel. (an) = (2n) ist bestimmt divergent gegen + .

Denn ist c IR, dann existiert ein n0 mit c n0 2n0. Folglich gilt für n n0 :c n0 2n0 2n = a n. Aber: (an) = (-2)n ist divergent, jedoch nicht bestimmt divergent.

Satz 3.11 Ist (an) bestimmt divergent und (bn) beschränkt, dann ist (an + bn) bestimmt divergent.

Beweis. Übungsaufgabe !   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

3.2 Reelle Zahlen als Grenzwerte von Folgen rationaler Zahlen

Satz 3.12 Zu jeder reellen Zahl a existiert eine Cauchyfolge (an) von rationalen Zahlen, so daß lim an = a.

Beweis. (Idee) Sei a IR. Man konstruiert eine Intervallschachtelung ([an,bn]) von rationalen Zahlen mit an a bn und bn - an = 1 2n(b0 - a0). Dazu seien a0,b0 beliebige rationale Zahlen mit a0 < a b0. Weiterhin seien an,bn (nach Induktionsvoraussetzung) schon mit den geforderten Eigenschaften gegeben. Ist cn+1 = an + bn 2 , dann ist cn+1 lQ. Jetzt definieren wir an+1,bn+1 wie folgt:

     an+1 := cn+1  und  bn+1 := bn, falls cn+1 < a und      an+1 := an  und  bn+1 := cn+1, falls cn+1 a.

Behauptung: an a (und bn b).

Es ist an a bn a - an bn - an < 1 2n(b0 - a0)n0 an a.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Definition. (grenzwertgleich) Es seien (an),(bn) Cauchyfolgen. (an) und (bn) sind grenzwertgleich =Df

(an - bn) ist eine Nullfolge.

1 + 1 nn,1 + 1 nn+1 sind z.B. grenzwertgleiche Cauchyfolgen im Bereich der rationalen Zahlen.

Bemerkung. „Grenzwertgleich“ ist eine Äquivalenzrelation in der Menge aller Cauchyfolgen von rationalen Zahlen. (Beweis mit Satz 3.10 trivial).

Dabei ist der Begriff Äquivalenzrelation wie folgt definiert:

Es sei M eine Menge und ~ eine zweistellige Relation in M. ~ heißt Äquivalenzrelation in M =Df

Für alle a,b,c M gilt: (1) a ~ a, (Reflexivität)       (2) wenn a ~ b und b ~ c, so a ~ c, (Transitivität)       (3) wenn a ~ b, so b ~ a. (Symmetrie)      

Ein Mengensystem S = {Mi : i I} mit einer Indexmenge I heißt Klasseneinteilung oder Partition oder Zerlegung von M =Df

(1) Mi M und Mi für alle i I. (2) iIMi = M, und für jedes i,j I mit ij ist Mi Mj = .
(vgl. z.B. Literaturangabe [4], Teil I, Seiten 43 – 44.)

Eine Äquivalenzrelation ~ in M zieht eine Klasseneinteilung von M nach sich; jeweils äquivalente Elemente gehören der gleichen Klasse an (dies müßte natürlich bewiesen werden). Die so entstehenden Klassen heißen auch Äquivalenzklassen. Ist M die Menge aller Cauchyfolgen von rationalen Zahlen und ~ die Grenzwertgleichheit in M, dann wird M in Äquivalenzklassen grenzwertgleicher Cauchyfolgen zerlegt. Damit sind neue mathematische Objekte entstanden, die (wie Dedekindsche Schnitte) ebenfalls als reelle Zahlen interpretiert werden können.

Definition. (reelle Zahlen) a ist eine reelle Zahl =Df

Es gibt eine Cauchyfolge (an) von rationalen Zahlen, so daß a die Äquivalenzklasse aller Cauchyfolgen von rationalen Zahlen ist, die mit (an) grenzwertgleich sind.
     Bez.: a = an = {(bn) : bn lQ  und  (an - bn)  ist eine Nullfolge}.

Jede Cauchyfolge (bn) mit (bn) a = an ist ein Repräsentant der Klasse a. Die Menge der betrachteten Äquivalenzklassen heißt Menge der reellen Zahlen und wird mit IR bezeichnet.

Beispielsweise ist e = {(bn) : bn lQ  und  (bn)  ist mit  1 + 1 nn  grenzwertgleich}.

Damit IR ein geordneter Körper wird, benötigen wir noch Rechenoperationen + und und eine Ordnungsrelation < in IR. Die Definitionen der Operationen und der Relation erfolgen mit Hilfe von Repräsentanten.

Es seien a,b reelle Zahlen. Folglich gibt es Cauchyfolgen (an),(bn) in lQ, so daß a = an, b = bn. Dann sei:

     a ± b = an±bn =Df an ± bn für alle n,

     a b = anbn =Df an bn für alle n, und

     a < b an < bn =Df anbn und an < bn für fast alle n.

     (anbn bedeutet, daß (an) und (bn) nicht grenzwertgleich sind.)

     -an =Df -an,

     1 an =Df 1 an;    Voraussetzung: an0 und (an) ist keine Nullfolge.

Die Definitionen sind unabhängig von der Wahl der Repräsentanten; dies bedeutet z.B. für die Addition: Sind (an) und (bn) andere Repräsentanten von a bzw. b, dann muß dies zum gleichen Ergebnis führen, d.h.,

     wenn (an) ~ (an) und (bn) ~ (bn), so ist (an + bn) ~ (an + b n).

Dies bedeutet dann nämlich, daß an + bn = an + b n, womit die gleiche reelle Zahl festgelegt ist. Analog verfährt man mit den anderen Fällen.

Mit den so eingeführten Funktionen + und und der Relation < bildet die Menge der reellen Zahlen (= Menge der entsprechenden Äquivalenzklassen) einen archimedisch geordneten Körper, in dem das Intervallschachtelungsaxiom gilt. Dieser Körper ist bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt! (Dies hätte natürlich alles bewiesen werden müssen.)

Abschließend betrachten wir noch Funktionenfolgen. Dazu sei M IR und für jedes n IN sei fn : IR IR eine in M definierte Funktion. Weiterhin sei auch f : IR IR in M definiert.

Definition. (Konvergenz von Funktionenfolgen) (1) Die Funktionenfolge (fn) konvergiert an der Stelle a M gegen b

=Df
lim nfn(a) = b.

(2) (fn) konvergiert in M gegen die Funktion f =Df

Für jedes a M gilt: lim nfn(a) = f(a), (d.h., für jedes fixierte a M konvergiert die Zahlenfolge fn(a) gegen die Zahl f(a); diese Art Konvergenz nennen wir auch punktweise Konvergenz).
     Bez.: lim nfn(x) = f(x).

(3) (fn) konvergiert in M =Df

Es existiert eine Funktion f : IR IR, so daß (fn) in M gegen f konvergiert.

Beispiel. Es sei M = [0, 1] und fn(x) = xn.

Konvergenz

PICT

Für jedes fixierte a [0, 1] mit a < 1 gilt offenbar an 0; für a = 1 ist an = 1, also an 1.

Folglich ist

     lim nfn(x) = f(x) mit  f( x )={ 0 für 0x<1 1 für x=1. MathType@MTEF@5@5@+= feaagKart1ev2aqatCvAUfeBSjuyZL2yd9gzLbvyNv2CaerbuLwBLn hiov2DGi1BTfMBaeXatLxBI9gBaerbd9wDYLwzYbItLDharqqtubsr 4rNCHbGeaGqiVu0Je9sqqrpepC0xbbL8F4rqqrFfpeea0xe9Lq=Jc9 vqaqpepm0xbba9pwe9Q8fs0=yqaqpepae9pg0FirpepeKkFr0xfr=x fr=xb9adbaqaaeGaciGaaiaabeqaamaabaabaaGcbaGaamOzamaabm aabaGaamiEaaGaayjkaiaawMcaaiabg2da9maaceaabaqbaeaabiqa aaqaaiaaicdacaqGGaGaaeOzaiaabYpacaqGYbGaaeiiaiaaicdacq GHKjYOcaWG4bGaeyipaWJaaGymaaqaaiaaigdacaqGGaGaaeOzaiaa bYpacaqGYbGaaeiiaiaadIhacqGH9aqpcaaIXaGaaeOlaaaaaiaawU haaaaa@4EE9@

Definition. (gleichmäßige Konvergenz) Die Funktionenfolge (fn) konvergiert in M gleichmäßig gegen f =Df

Für jedes ε > 0 existiert ein n0, so daß für jedes n n0 und für alle x M gilt: |fn(x) - f(x)| < ε.

Die folgende Abbildung veranschaulicht, daß sich bei der gleichmäßigen Konvergenz für vorgegebenes ε > 0 die Funktionen fn(x) von f(x) an jeder Stelle x M = [a,b] um weniger als ε unterscheiden, falls n hinreichend groß ist; man sagt dafür auch, daß die Funktionen fn(x) in dem ε-Streifen von f(x) liegen.


  gleichmäßige Konvergenz

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Anwendung: Oft approximiert man eine aufwändig zu berechnende Grenzfunktion f über einem bestimmten Bereich durch einfacher zu berechnende Funktionen fn . Konvergiert dabei die Folge (fn) gleichmäßig gegen f, so kann man f mit vorgegebener Genauigkeit ε für den ganzen Bereich durch eine der Funktionen fn ersetzen.

Die im vorhergehenden Beispiel betrachtete Funktionenfolge fn(x) = xn ist nicht gleichmäßig konvergent in [0, 1]. Angenommen doch, dann gibt es für ε = 1 2 ein n0, so daß für jedes n n0 und für alle x [0, 1] gilt: |fn(x) - f(x)| < 1 2. Dies gilt insbesondere für m = n0 und für alle x [0, 1); hier ist zusätzlich f(x) = 0. Also |fn(x)| < 1 2 für alle x mit 0 x < 1. Wir wählen jetzt x „hinreichend dicht“ bei 1; x := 1 - δ mit δ > 0. Dann gilt nach der Bernoullischen Ungleichung: xm = (1 - δ)m 1 - mδ (m fixiert). Sei δ so klein, daß mδ < 1 2, dann ist 1 2 < xm = |f m(x) - f(x)| < 1 2 PICT   !

In den späteren Abschnitten über Stetigkeit, Differenzierbarkeit und Integrierbarkeit von Funktionen werden wir uns ausführlicher mit den Eigenschaften der Grenzfunktion befassen.

Schwerpunkte für die Wiederholung von Kapitel 3