Funktionen sind von grundlegender Bedeutung für fast alle Gebiete der Wissenschaft; sie geben Zusammenhänge zwischen abhängigen veränderlichen Größen an, wie z.B.
Der allgemeine Funktionsbegriff wurde bereits im ersten
Kapitel definiert. Danach sind Funktionen zweistellige Relationen (also
Mengen von Paaren), die an der zweiten Stelle eindeutig sind.
5.1 Operationen für Funktionen
In diesem Abschnitt werden eine Reihe von Operationen für Funktionen behandelt, die aber zum Teil nur in Strukturen (in Körpern, Vektorräumen, …) ausgeführt werden können. Zunächst betrachten wir aber zwei wichtige Operationen für Funktionen, die keine Struktur voraussetzen (sondern nur auf Mengen definiert sind), nämlich die Verkettung und die Inversenbildung (falls existent), ehe wir uns den reellwertigen Funktionen einer reellen Veränderlichen zuwenden.
Definition. (Verkettung von Funktionen) Es seien und Funktionen, so daß . Die Funktion heißt Verkettung oder Hintereinanderausführung von und =Df
Abb. 5.1 Verkettung von und
Definition. (inverse Funktion) Es sei injektiv. ist Umkehrfunktion oder inverse Funktion von =Df
Bez.:
Folgerungen. 1.
2. Es ist stets und
3. ist invers zu ist invers zu
4.
Wir befassen uns jetzt mit reellwertigen Funktionen einer reellen Veränderlichen.
Definition. ist eine reellwertige Funktion einer reellen Veränderlichen =Df
Der Graph einer Funktion ist die geometrische Veranschaulichung der Funktion (:= Menge von Paaren) in einem geeigneten Raum mit Koordinatensystem.
Beispiele.
Wir betrachten Funktionen Der Einfachheit wegen bezeichnen wir in Zukunft die Mengen auch mit ; analog benutzen wir die Bezeichnungen
1. Sei mit (vgl. Abb. 5.4).
2. Sei mit (vgl. Abb. 5.5).
3. Offenbar ist die Funktion im Beispiel 1 nicht injektiv. Schränkt man jedoch den Definitionsbereich von auf ein (so erhält man eigentlich eine andere Funktion, die wir aber weiterhin mit bezeichnen werden), dann ist injektiv und besitzt eine Umkehrfunktion .
Für mit ist
Löst man die Gleichung nach auf, so erhält man , wobei . Will man die Graphen der Funktionen und mit Hilfe des gleichen (rechtwinkligen) Koordinatensystems veranschaulichen, dann muß man und in vertauschen und entsprechend nach auflösen. Dadurch erhält man erweist sich dann als Spiegelung von an der Geraden .
Wir haben schon gesehen, daß nicht alle Funktionen eine Umkehrfunktion besitzen, sondern nur die injektiven. Wir betrachten jetzt eine wichtige Teilklasse von injektiven Funktionen, nämlich die streng monotonen.
Definition. (monoton, streng monoton) Es sei und
(1)
Analog wie bei Folgen nennen wir (in ) monoton wachsende bzw. monoton fallende Funktionen gelegentlich auch kurz monoton in . Ist im gesamten Definitionsbereich monoton, dann heißt monoton (ohne Angabe einer Menge).
Satz 5.1 Ist streng monoton, dann besitzt eine Umkehrfunktion.
Beweis. g.z.z.:
ist injektiv, d.h., wenn
,
so
. Wenn also
so
oder
und damit
Definition. (rationale Operationen für Funktionen) Es seien Summe, Differenz, Produkt und Quotient von und sind wie folgt definiert:
(1) =Df für alle
(2) =Df für alle
(3) =Df für alle und
folglich ist
Bemerkung. Summe,
Differenz, Produkt und Quotient sind die rationalen
Operationen.
5.2 Stetigkeit
Im folgenden betrachten wir eine besonders wichtige Klasse von Funktionen, nämlich die stetigen Funktionen.
Definition. (Stetigkeit) ist an der Stelle (oder kurz in ) stetig =Df
Definition. (stetig in einer Menge) Sei
(1) ist stetig in =Df
Beispiele.
1. (vgl. Abb. 5.9)
Sei beliebig und . Wir wählen Dann gilt für alle mit
Konstante Funktionen sind also stetig.
2. . (vgl. Abb. 5.10)
Sei beliebig und . Wir wählen wieder Dann gilt für alle mit :
Folglich ist auch die Identitätsfunktion stetig.
3. Es sei , und beliebig. Um die Stetigkeit von in nachweisen zu können, haben wir (entsprechend der Definition) für ein mit den geforderten Eigenschaften zu finden. Es ist
Sei . Erste Näherung für : Dann ist Folglich ist
Wählt man jetzt dann ist für auch
4. ist in nicht stetig, da an der Stelle nicht definiert ist.
5. Es sei (vgl. Abb. 5.11)
Behauptung: ist in nicht stetig. Stetigkeit in formal ausgedrückt bedeutet:
Folglich bedeutet Unstetigkeit an dieser Stelle:
Es sei und beliebig. Ist mit dann ist Hieraus folgt die Behauptung.
6. Es sei (vgl. Abb. 5.12)
ist in keinem Punkt des Definitionsbereiches stetig, denn in jeder -Umgebung von liegen rationale und irrationale Zahlen. Wählt man z.B. und beliebig, dann liegt wenigstens ein Funktionswert mit und rational bzw. irrational außerhalb von
Kriterien für die Stetigkeit
Wir wollen jetzt die schon bekannten Eigenschaften über konvergente Folgen ausnutzen, um damit Ergebnisse über stetige Funktionen zu erzielen.
Definition. (Grenzwert bei Funktionen) Es sei ein Häufungspunkt von ( muß nicht selbst zu gehören). besitzt an der Stelle den Grenzwert =Df
Bez.: oder
Definition. (uneigentlicher Grenzwert) Sei ein Häufungspunkt von hat an der Stelle den uneigentlichen Grenzwert (bzw. ) =Df
Bez.: (bzw.
Definition. (Grenzwert im Unendlichen) Es sei und (bzw. ). besitzt für (bzw. für ) den Grenzwert =Df
Bez.: (bzw.
Entsprechend definiert man uneigentliche Grenzwerte für bzw.
Beispiele.
1. Es sei ist in nicht definiert (also auch nicht stetig), aber besitzt in einen Grenzwert, nämlich . Dazu betrachten wir für
Ist und wählt man , dann erhält man für :
2. Sei Behauptung:
Sei und . Dann gilt
Für alle ist
Satz 5.2 Sei und ein Häufungspunkt von . Dann gilt ist in stetig gdw existiert und
Beweis. Die Behauptung
folgt unmittelbar aus der Definition des Grenzwertes.
Satz 5.3 Folgenstetigkeit Es sei Dann gilt ist in stetig gdw für jede Folge mit gilt Wenn so
Beweis. Sei in stetig. Nach Definition erhält man: Für jedes gibt es ein so daß für jedes :
Wenn so .
Sei eine Folge mit Dann ist für fast alle und somit gilt auch für fast alle Also
Annahme, ist in nicht stetig. Dann gibt es ein so daß für jedes ein existiert mit und Wählt man dann gibt es für jedes ein mit also
aber
d.h.,
!
Jetzt können wir Grenzwertsätze bei Stetigkeitsuntersuchungen benutzen.
Satz 5.4 Stetigkeit der rationalen Operationen Summe, Differenz, Produkt und Quotient von stetigen Funktionen sind stetig.
Beweis. Mit Hilfe von Satz 5.3 erhält man die Behauptung unmittelbar aus den Grenzwertsätzen für Folgen. Wir skizzieren den Beweis für die Summe. Es sei Dann ist
Satz 5.5 Stetigkeit der Verkettung Seien Funktionen mit Ist in stetig und in stetig, dann ist in stetig.
Beweis. Nach Definition der Stetigkeit ist in und in definiert, folglich ist .
Sei eine Folge in mit . Dann ist in definiert, und wegen ist in definiert. Aus der Stetigkeit von in folgt: Nach Voraussetzung ist in stetig. Dann gilt für jede Folge in :
Wenn , so
Speziell für gilt dann
Nach Satz 5.3 ist also
in
stetig.
Satz 5.6 Zwischenwertsatz oder Nullstellensatz von Bolzano Ist in dem abgeschlossenen Intervall stetig und oder (d.h., ), dann gibt es ein , so daß
Beweis. Es sei o.B.d.A. (sonst wird betrachtet).
Wir konstruieren eine Intervallschachtelung , so daß
und
Sei Für sei schon definiert (mit den geforderten Eigenschaften). Sei dann definieren wir
falls und
falls .
Offenbar ist monoton wachsend und nach oben beschränkt und monoton fallend und nach unten beschränkt. Folglich existieren und , und wegen ist Nach dem Intervallschachtelungsaxiom existiert ein mit für alle . Nach Voraussetzung ist für alle . Da in stetig ist, gilt:
Daraus folgt also
Korollar (Zwischenwertsatz) Ist in stetig, beliebig und oder , dann existiert ein , so daß .
Beweis. Setzt man
dann erfüllt
die Voraussetzungen des Nullstellensatzes. Folglich gibt es ein
mit
also
Satz 5.7 Ist in injektiv und stetig, dann ist in streng monoton. ( besitzt in eine Umkehrfunktion.)
Beweis. Übungsaufgabe ! (Hinweis: Man nehme an, daß nicht streng
monoton ist und benutze den Zwischenwertsatz
!)
Satz 5.8 Ist in injektiv und stetig, dann ist in stetig, wobei und .
Beweis. Nach Satz 5.7 ist in streng monoton. Sei o.B.d.A. in streng monoton wachsend und (für „fallend“ verläuft der Beweis analog). Dann ist , und nach dem Zwischenwertsatz werden alle Werte mit durch angenommen, also .
Sei . Wir haben zu zeigen, daß in stetig ist.
Dazu sei eine Folge mit und . Wegen existieren , so daß und Damit ist eine beschränkte Folge in . Folglich besitzt einen Häufungspunkt und eine gegen konvergierende Teilfolge . Da abgeschlossen ist, gehört zu . Aus der Stetigkeit von in folgt somit .
Da und eine Teilfolge von ist, gilt auch . Also und , folglich ist
Gäbe es einen weiteren Häufungspunkt von so gäbe es eine Teilfolge von mit . Analog wie im vorhergehenden Teil des Beweises existiert eine Teilfolge von mit . Wegen gilt dann auch
Aus der Injektivität von folgt schließlich Die beschränkte Folge besitzt also genau einen Häufungspunkt, und dieser ist , also
Nach Voraussetzung gilt: . Folglich ist
d.h.,
ist an der Stelle
stetig.
Beispiel. Sei
. Dann ist offenbar
injektiv und stetig in
für jedes
(folglich ist
auch in
stetig).
Nach dem vorhergehenden Satz ist
in
stetig, also auch in
.
5.3 Elementare Funktionen
(1) Rationale Funktionen
Definition. ist eine rationale Funktion =Df
Darstellung:
Definition. ist eine ganze rationale Funktion oder ein Polynom über =Df
Darstellung:
Satz 5.9 Die rationalen Funktionen sind stetig.
Beweis. Der Beweis folgt
sofort aus der Stetigkeit der identischen Funktion, der konstanten
Funktionen und der rationalen Operationen.
(2) Entwickelte algebraische Funktionen
Definition. ist eine entwickelte algebraische Funktion =Df
Bemerkung. Bisher ist nur für und definiert. Für ungerade läßt sich auch in dem Bereich definieren. Hierfür legen wir fest:
.
Für gelte generell: .
Beispiele (für entwickelte algebraische Funktionen)
;
Bemerkung. Neben den entwickelten algebraischen Funktionen gibt es noch weitere algebraische Funktionen. Man nennt eine Funktion algebraisch, wenn Lösung einer algebraischen Gleichung ist, d.h., ist eine Funktion, und es gibt Polynome , so daß für jedes mit gilt:
(vgl. Literaturangabe [2], Band I, Nr. 190, Begriff einer algebraischen Funktion)
Satz 5.10 Die entwickelten algebraischen Funktionen sind stetig.
Beweis. Der Beweis folgt
sofort aus der Stetigkeit der Identitätsfunktion, der konstanten
Funktionen, der Wurzelfunktionen (siehe nächste Bemerkung) und
der Stetigkeit der rationalen Operationen.
Bemerkung. Ist , dann ist offenbar die Umkehrfunktion von . Nach Satz 5.8 ist in stetig. Für ungerade ist in injektiv und somit die Umkehrfunktion in ganz definiert und stetig. (vgl. auch Abb. 5.17). Für gerade ist in definiert und injektiv, folglich besitzt in ebenfalls eine Umkehrfunktion (vgl. Abb. 5.16).
Die nächste Abbildung zeigt den analogen Fall für ungerade . Hierfür existiert die inverse Funktion im gesamten Definitionsbereich von
(3) Elementare transzendente Funktionen
Neben den algebraischen Funktionen gibt es noch weitere, nämlich die sog. transzendenten Funktionen.
Definition. ist transzendent =Df ist nicht algebraisch.
Die Klasse der transzendenten Funktionen ist sehr unübersichtlich. Daher betrachten wir hier nur die wichtigsten und relativ leicht darstellbaren (die sog. elementaren) transzendenten Funktionen. Wir beginnen mit der Exponentialfunktion und ihren Eigenschaften.
Exponentialfunktion
In dem Abschnitt über Reihen haben wir schon gesehen, daß die Potenzreihe für alle konvergiert (sogar absolut; zur Erinnerung sei noch einmal erwähnt, daß für und gesetzt wurde). Für jedes ist also durch ein Wert festgelegt, d.h., durch die Reihe ist eine Funktion definiert. (vgl. Abb. 5.18)
Bez.:
heißt Exponentialfunktion.
Satz 5.11 Die Exponentialfunktion besitzt folgende Eigenschaften
.
ist stetig.
Beweis. (1) ist trivial, da für alle konvergiert.
(2). Übungsaufgabe !
(3). Es ist
hieraus folgt insbesondere Für ist
Für ist also denn
(4). Es sei z.z.: .
Wegen gibt es ein , so daß . Folglich ist
(5). Es ist
Dann gilt
Weiterhin gilt für
(denn für )
Also
(6). 1.
2.
3.
4.
5.
(7). Wir zeigen zunächst, daß in stetig ist. Hierzu benutzen wir das Lemma zum Identitätssatz für Potenzreihen (vgl. Satz 4.24). Wenn und , so
Also
Sei jetzt beliebig, und
z.z.:
g.z.z.:
also ist
in
stetig.
Bemerkung. Bisher ist nur für rationale definiert. Nach Satz 5.11 (6) gilt für rationale stets . Wir erweitern jetzt den Definitionsbereich der Funktion auf ganz wie folgt:
Definition. Für sei =Df .
Im folgenden schreiben wir für kurz
Satz 5.12 Für gilt und
Beweis. (1). Für ist und Für ist und somit denn
(2). Sei
beliebig. Aufgrund der Eigenschaft (1) gibt es
Elemente
so daß
Da die Funktion
in
stetig ist, nimmt sie nach
dem Zwischenwertsatz den Wert
an. Andererseits kann
auch nur einmal angenommen werden, denn
ist nach Satz 5.11 (4) streng monoton wachsend.
Logarithmusfunktion
Aufgrund der strengen Monotonie von besitzt diese Funktion eine Umkehrfunktion.
Definition. (natürlicher Logarithmus) Die Umkehrfunktion von heißt natürlicher Logarithmus. Bez.: oder
Es gilt:
Satz 5.13 hat folgende Eigenschaften und
ist stetig.
Beweis. Der Beweis ergibt sich leicht aus den Eigenschaften von Als Beispiel zeigen wir (3).
Annahme:
Aus der Injektivität von folgt dann
!
Exponentialfunktion zur Basis
Definition. (Exponentialfunktion zur Basis a) Sei = Df (Exponentialfunktion zur Basis ).
Es gilt: und falls
Satz 5.14 Es seien Dann gilt
ist stetig.
Beweis. Den Beweis führt
man leicht mit Hilfe der Eigenschaften von
.
Logarithmus zur Basis
ist für und streng monoton, also auch injektiv. Folglich besitzt eine Umkehrfunktion.
Definition. (Logarithmus zur Basis a) Sei und . Die Umkehrfunktion von heißt Logarithmus zur Basis .
Bez.: und bzw. , falls bzw. .
Folgerung. Aus der Definition ergibt sich sofort: und
Satz 5.15 Sei und Dann gilt ist stetig. .
Beweis. (1). Sei Dann ist und somit
Hieraus folgen leicht die restlichen Behauptungen.
Potenzfunktion
Definition. (Potenzfunktion mit beliebigem Exponenten) Sei und heißt Potenzfunktion (mit dem Exponenten ).
Bemerkung. Die Eigenschaften von folgen entsprechend der Definition sofort aus den Eigenschaften von und . Insbesondere ist stetig und
und
Weiterhin ist für streng monoton. Folglich besitzt eine Umkehrfunktion, die ebenfalls eine Potenzfunktion ist, nämlich die Funktion (vgl. Abb. 5.20).
Für gewisse Exponenten läßt sich auch in definieren, z.B. für alle ganzzahligen und auch für alle falls ungerade ist. Dann ist nämlich und für ist die -te Wurzel schon definiert.
Trigonometrische Funktionen
In der Schule werden und in der Regel am Einheitskreis eingeführt (vgl. Abb. 5.21 und 5.22).
Der Anschauung entnimmt man: (1) (2) und sind periodisch mit der kleinsten Periode . (3) ist ungerade, d.h., (4) ist gerade, d.h., (5)
Die Vorteile dieser Methode bestehen darin, daß der Schüler wesentliche Eigenschaften der ansonsten komplizierten Funktionen der Anschauung entnimmt. Die Nachteile sind allerdings darin zu sehen, daß die Anschauung als Beweismittel überhaupt zugelassen wird und daß z.B. die Zahl und Eigenschaften des Kreises als bekannt vorausgesetzt werden.
Wir kommen jetzt zu einer anderen Definition der trigonometrischen Funktionen.
Hierzu betrachten wir die Exponentialfunktion , die bekanntlich mit Hilfe der Potenzreihe definiert ist. Diese Potenzreihe ist (wie früher gezeigt wurde) für alle komplexen Zahlen absolut und damit auch unbedingt konvergent. Folglich ist auch in der gesamten komplexen Ebene definiert. Wir betrachten jetzt den Spezialfall und berechnen von den Real- und Imaginärteil:
Also Damit ergibt sich die folgende Definition.
Definition. ()
Beide Reihen konvergieren für alle absolut. Folglich sind und in definiert.
An dieser Stelle ist nicht einzusehen, daß die so eingeführten Funktionen und dieselben sein sollen, die man anschaulich am Einheitskreis gewinnt. Erst mit Hilfe der Differentialrechnung werden wir später nachweisen können, daß es sich tatsächlich um die gleichen Funktionen handelt.
Satz 5.16 und haben folgende Eigenschaften und sind in definiert, ist ungerade und ist gerade. . und sind stetig.
Beweis. (1) ist nach Definition trivial.
(2) folgt unmittelbar aus der Definition von und
(3) und (4) zeigt man mit Hilfe des Cauchyprodukts der entsprechenden Reihen (vgl. Übungsaufgaben).
(5) und (6) folgen aus (3) und (4), indem man auf der linken Seite von (5) bzw. (6) jeweils in der Form und schreibt.
(7). Nach (1) ist folglich erhält man mit Hilfe von (4):
Damit gilt auch
und
und schließlich
(8). und sind durch Potenzreihen definiert, diese sind in stetig (vgl. Beweis zu Satz 5.11 (7)). Also gilt:
Wenn so und
Wir beweisen jetzt die Stetigkeit von an einer beliebigen Stelle g.z.z.: Wenn so d.h.,
Es sei Nach (5) gilt:
Wegen erhält man
Für
ergibt sich mit
Hilfe von (6) die analoge Behauptung.
Bemerkung. Die Eigenschaften (3) – (6) im Satz 5.16 heißen auch Additionstheoreme von und
Im folgenden wird die Zahl definiert. Es genügt offensichtlich festzulegen, und dies wird sich als kleinste positive Nullstelle von erweisen. Dazu müssen wir zeigen, daß überhaupt eine kleinste positive Nullstelle besitzt. Hierzu benötigen wir einige Lemmata.
Lemma 1.
Beweis. Es ist
ist eine alternierende
Reihe; das erste Glied (für ) ist negativ und
ist eine monoton fallende Nullfolge. Folglich ist die Reihe konvergent,
und ihr Wert (vgl. Beweis des Leibniz-Kriteriums) ist
negativ. Insgesamt gilt damit
Lemma 2. hat in eine Nullstelle.
Beweis. Es ist
ist im gesamten
Definitionsbereich stetig, also auch in
.
Nach dem Zwischenwertsatz gibt es ein
so daß
.
Wir zeigen jetzt, daß die einzige Nullstelle von in ist. Dann besitzt eine kleinste positive Nullstelle, die mit bezeichnet wird. Dazu benötigen wir aber das folgende
Lemma 3. für alle .
Beweis. Übungsaufgabe ! (Hinweis: Beweis ähnlich wie für
Lemma 1)
Korollar. hat in genau eine Nullstelle.
Beweis. Angenommen, es existieren , mit und Sei o.B.d.A. . Dann gilt:
denn nach Lemma 2 ist
in
positiv. !
Definition. () wird als die kleinste positive Nullstelle von definiert (d.h., ).
Bemerkung. Mit Hilfe der Additionstheoreme lassen sich weitere Eigenschaften für und herleiten.
(1)
(2)
Definition. (periodische Funktion) ist periodisch mit der Periode =Df
Satz 5.17 und sind periodisch mit der Periode , und es ist und
Beweis. Den Beweis führt
man leicht mit Hilfe der Additionstheoreme.
Tangens, Cotangens
Definition. (Tangens, Cotangens)
Bemerkung. Aus der Definition und den Eigenschaften von und erhält man sofort die wichtigsten Eigenschaften von und . Insbesondere gilt: ; . und sind als Quotienten von stetigen Funktionen wieder stetig; und sind wie und periodisch, allerdings mit der Periode .
Ähnlich wie und lassen sich auch und am Einheitskreis geometrisch interpretieren (vgl. Abb 5.21 und 5.24).
Die trigonometrischen Funktionen sind als periodische Funktionen nicht in ihren gesamten Definitionsbereichen injektiv. In den (maximalen) Teilintervallen, in denen sie jedoch injektiv sind (dort sind sie auch stetig und daher streng monoton), besitzen sie Umkehrfunktionen (die sog. Arcus-Funktionen; Arcus oder Arkus := Bogenmaß eines Winkels), die der Reihe nach mit bezeichnet werden.
Zur Veranschaulichung der Arcus-Funktionen betrachte man zunächst die Abb. 5.21 . Dort ist der Winkel in Bogenmaß gegeben (das ist bekanntlich die Länge des Bogens auf dem Einheitskreis zwischen den Punkten und (u,v) im entgegengesetzten Uhrzeigersinn). Für fixiertes ist symbolisiert durch die Strecke der Länge zwischen den Punkten und . Also
(:= die zu gehörende Bogenlänge).
Das Analoge gilt für Cosinus, Tangens und Cotangens. Abschließend werden noch die trigonometrischen Funktionen mit ihren Umkehrfunktionen (in geeigneten Intervallen) dargestellt (vgl. Abb. 5.25 – 5.28). Sinus wird in und in betrachtet, Cosinus in und in . Tangens und Cotangens werden in bzw. in dargestellt.
Analog wie in den vorhergehenden Abbildungen verfahren wir jetzt noch mit Tangens und Cotangens.
Am Ende von Kapitel 3 haben wir bereits Funktionenfolgen und ihre Konvergenz bzw. gleichmäßige Konvergenz definiert, ohne damit irgendwelche Anwendungen zu verbinden. Bevor wir dies tun, sollen zunächst noch Funktionenreihen definiert werden.
Definition. (Funktionenreihe) Sei , eine Folge von Funktionen, die alle in definiert sind, und es sei (die sind also ebenfalls in definierte Funktionen). (1) Die Folge heißt Funktionenreihe. Bez.: bzw. oder einfach bzw. (2) ist in konvergent (bzw. gleichmäßig konvergent ) gegen =Df
Bemerkung. Funktionenreihen sind also spezielle Funktionenfolgen. Alles, was über Funktionenfolgen ausgesagt wird, trifft sinngemäß auch auf Funktionenreihen zu. Potenzreihen sind offenbar spezielle Funktionenreihen.
Wir befassen uns zunächst mit einigen wichtigen Konvergenzkriterien für Funktionenfolgen und -reihen.
Satz 5.18 Cauchysches Konvergenzkriterium für die gleichmäßige Konvergenz Sei und eine Folge von Funktionen, die alle in definiert sind.
Beweis. (1). () Sei in gleichmäßig konvergent gegen und . Nach Definition existiert ein , so daß für jedes und für jedes gilt:
und
Mit Hilfe der Dreiecksungleichung erhält man die Behauptung.
() Nach dem Cauchyschen Konvergenzkriterium für Folgen mit konstanten Gliedern konvergiert die Zahlenfolge für jedes fixierte gegen einen Grenzwert, der mit bezeichnet wird. ist damit eine in definierte Funktion. Wir haben zu zeigen, daß gleichmäßig gegen konvergiert. Dazu sei beliebig. Nach Voraussetzung gibt es ein , so daß für jedes gilt:
Sei beliebig aber fest. Dann gilt
(2) erhält man leicht mit Hilfe von (1).
Satz 5.19 Majorantenkriterium für Funktionenreihen Sei eine Folge von Funktionen, die alle in definiert sind, und es seien reelle Zahlen. Ist für fast alle und alle , und ist konvergent, dann ist gleichmäßig und absolut konvergent in .
Beweis. (Der Beweis erfolgt mit Hilfe des Cauchyschen Kriteriums.) Sei . Dann ist
für hinreichend große
.
Folglich ist die Funktionenreihe gleichmäßig konvergent. Die absolute
Konvergenz erhält man sofort aus dem Majorantenkriterium für Reihen mit
konstanten Gliedern.
Beispiel. Ist absolut konvergent, dann sind nach dem obigen Satz die Funktionenreihen
mit und
mit
in gleichmäßig konvergent.
Satz 5.20 Reelle Potenzreihen konvergieren in jedem abgeschlossenen Teilintervall ihres Konvergenzbereiches gleichmäßig.
Beweis. Sei
eine Potenzreihe mit dem Konvergenzradius
und
. Für
ist
absolut konvergent. Folglich ist
konvergent. Mit Hilfe des Majorantenkriteriums für Funktionenreihen erhält
man sofort die Behauptung.
Satz 5.21 Stetigkeit der Grenzfunktion Sei eine in definierte Funktionenfolge, und alle seien in bzw. in ganz stetig.
Beweis. (1). Sei . Nach Definition der gleichmäßigen Konvergenz existiert ein , so daß für jedes und für jedes gilt:
Wegen der Stetigkeit von existiert ein , so daß für jedes gilt:
Wenn so .
Für und erhält man daraus:
( folgen aus der gleichmäßigen Konvergenz und aus der Stetigkeit der .)
(2) folgt sofort aus (1), denn mit
ist auch
stetig.
Korollar. Reelle Potenzreihen sind innerhalb ihres Konvergenzintervalls stetig.
Beweis. Die Behauptung
folgt unmittelbar aus der gleichmäßigen Konvergenz von Potenzreihen und
der Stetigkeit der Grenzfunktion.
Bemerkung. Aus dem letzten Satz und dem zugehörigen Korollar erhält man weiterhin:
(1)
(Vertauschbarkeit zweier Limites bei gleichmäßig konvergenten Folgen)
(2) .
(Vertauschbarkeit des Limes mit der unendlichen Summe bei gleichmäßig konvergenten Reihen)
(3)
(4) Das Beispiel 5/4/7 zeigt, daß Funktionenreihen der Gestalt
stetige Funktionen definieren, wenn und absolut konvergieren. Hieraus ergeben sich interessante und wichtige Möglichkeiten für die Darstellung weiterer nicht-elementarer Funktionen. Hiermit befaßt sich die Theorie der Fourierreihen, die wir jedoch nicht behandeln werden (siehe Literaturangabe [4], Teil II, Seite 109 – 116 oder [1], Teil 2, Seite 118 – 173).
Schwerpunkte für die Wiederholung von Kapitel 5