Der Begriff der Ableitung (oder des Differentialquotienten) ist aus geometrisch-physikalischen Fragestellungen entstanden, insbesondere aus dem Tangentenproblem und dem Geschwindigkeitsproblem.

Tangentenproblem

Gegeben ist eine ebene Kurve und ein Punkt auf dieser Kurve. Gesucht ist die Gleichung der Tangente (falls existent) an der Kurve in diesem Punkt (vgl. Abb. 7.1).

 

PICT

Im einfachsten Fall sei die Kurve mit Hilfe der Funktion y = f(x) gegeben. Dann ist der Anstieg der Sekante durch die Punkte P0,P als Quotient

     y - b x - a = f(x) - f(a) x - a

definiert.

Wenn P P0 (d.h. x a), dann „dreht“ sich die Sekante und nimmt „im Grenzfall“ die Lage der „Tangente“ ein (falls die Eigenschaften der Funktion „hinreichend gutartig“ sind).

Geschwindigkeitsproblem

Ein Massepunkt bewege sich (mit variabler Geschwindigkeit) entlang einer gegebenen Bahn. Gesucht ist die „Augenblicksgeschwindigkeit“ des Punktes zu einem bestimmten Zeitpunkt t0.

Die Durchschnittsgeschwindigkeit v zwischen zwei Bahnpunkten berechnet sich als Quotient der zurückgelegten Strecke s und der dazu benötigten Zeit t:

     v = s - s0 t - t0 = Δs Δt,

wobei Δs die zurückgelegte Strecke und Δt die gemessene Zeitdifferenz bedeuten.

Durch Verkleinerung der Meßstrecke nähert man sich der sog. Augenblicksgeschwindigkeit an, die für t t0 entsteht.

Mathematisch gesehen ergibt sich in beiden Fällen das gleiche Problem, nämlich den Grenzwert eines bestimmten Quotienten auszuwerten. Die Mathematik abstrahierte von den konkreten Problemen und entwickelte hierzu eine leistungsfähige Theorie, die Differentialrechnung.

Wir betrachten in diesem Abschnitt nur Funktionen f : IR IR.

Definition. (Differenzenquotient) Sei f in einer Umgebung U(a) definiert. Die Funktion φ(x) := f(x) - f(a) x - a mit x U(a) und xa heißt Differenzenquotient von f in a.

     Bez.

Für y = f(x) und b = f(a) sei Δy := f(x) - f(a) = y - b und Δx := x - a := h.

Dann ist

     φ(x) = f(x) - f(a) x - a = y - b x - a = Δy Δx =

     f(a + Δx) - f(a) Δx = f(a + h) - f(a) h := ψ(h).

Definition. (Differenzierbarkeit, Ableitung, Differentialquotient) f ist an der Stelle a (oder kurz in a) differenzierbar =Df

f ist in einer Umgebung U(a) definiert, und es existiert lim xaf(x) - f(a) x - a .
Der Limes heißt (falls er existiert) erste Ableitung oder Differentialquotient von f in a.

     Bez. f(a) = df dx(a).

Definition. Sei M IR, M und f differenzierbar in jedem Punkt a M. f ist die 1. Ableitung von f in M =Df

f ist eine in M definierte Funktion, und für jedes a M ist f(a) die 1. Ableitung von f an der Stelle a, d.h., für jedes a M ist f(a) = lim xaf(x) - f(a) x - a .

Definition. (rechtsseitige bzw. linksseitige Differenzierbarkeit) f ist in a rechtsseitig bzw. linksseitig differenzierbar =Df

Es gibt eine Umgebung U(a), so daß f in U(a) {x : x a} bzw. in U(a) {x : x a} definiert ist, und es existiert lim xa xa f(x) - f(a) x - a bzw. lim xa xa f(x) - f(a) x - a .
Die Limites heißen (falls sie existieren) rechtsseitige bzw. linksseitige Ableitung der Funktion f.

 

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Bemerkung. Sei f : IR IR eine Funktion. Wenn an der durch f gegebenen Kurve eine Tangente im Punkt (a,f(a)) existiert (dies wird der Fall sein, wenn f in a differenzierbar ist), dann ist der Anstieg der Tangente an der Stelle a durch f(a) gegeben.

Wir wollen jetzt die Gleichung der Tangente bestimmen. Zunächst gehen wir von der Geradengleichung y := t(x) = c x + d aus und berechnen c und d. Der Anstieg der Tangente ist durch c = f(a) gegeben. Die Tangente soll durch den Punkt (a,f(a)) verlaufen. Folglich ist

     t(a) = f(a) a + d = f(a)

     d = f(a) - f(a) a

     t(x) = f(a) x + f(a) - f(a) a = f(a) + f(a)(x - a).

Definition. (Tangente) Es sei f in a differenzierbar. Die durch die Gleichung t(x) = f(a) + f(a)(x - a) bestimmte Gerade heißt Tangente von f an der Stelle a (oder im Punkt (a,f(a)) ), und die entsprechende Gleichung heißt auch Gleichung der Tangente. (vgl. Abb. 7.1)

Beispiele.

1. f(x) = c.

Man überlegt sich leicht, daß f für jedes a IR differenzierbar und f(a) = 0 ist.

2. f(x) = x.

Der Differenzenquotient an einer beliebigen Stelle a IR ist

     φ(x) = f(x) - f(a) x - a = x - a x - a = 1.

Folglich ist f(a) = 1 für jedes a IR.

3. f(x) = x2.

Behauptung: f(x) = 2x für jedes x IR.

Sei a IR und xa. Dann gilt

     f(x) - f(a) x - a = x2 - a2 x - a = (x - a)(x + a) x - a = x + a xa 2a.

Folglich ist

     f(a) = lim xaf(x) - f(a) x - a = 2a.

Die Gleichung der Tangente berechnet sich wie folgt:

     t(x) = f(a) + f(a)(x - a) = a2 + 2a(x - a) = 2ax - a2.

Speziell für a = 1 ergibt sich dann

     y = t(x) = 2x - 1 (vgl. Abb. 7.3)

 

PICT

4. Es sei f( x )={ x 2 , für x0 | x |, für x<0. MathType@MTEF@5@5@+= feaagKart1ev2aqatCvAUfeBSjuyZL2yd9gzLbvyNv2CaerbuLwBLn hiov2DGi1BTfMBaeXatLxBI9gBaerbd9wDYLwzYbItLDharqqtubsr 4rNCHbGeaGqiVu0Je9sqqrpepC0xbbL8F4rqqrFfpeea0xe9Lq=Jc9 vqaqpepm0xbba9pwe9Q8fs0=yqaqpepae9pg0FirpepeKkFr0xfr=x fr=xb9adbaqaaeGaciGaaiaabeqaamaabaabaaGcbaGaamOzamaabm aabaGaamiEaaGaayjkaiaawMcaaiabg2da9maaceaabaqbaeqabiqa aaqaaiaadIhadaahaaWcbeqaaabaaaaaaaaapeGaaGOmaaaak8aaca qGSaGaaeiiaiaabAgacaqG8dGaaeOCaiaabccacaWG4bGaeyyzImRa aGimaaqaamaaemaabaGaamiEaaGaay5bSlaawIa7aiaabYcacaqGGa GaaeOzaiaabYpacaqGYbGaaeiia8qacaWG4bGaeyipaWJaaGimaiaa c6caaaaapaGaay5Eaaaaaa@5380@

 

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Behauptung: f ist in a = 0 nicht differenzierbar.

Angenommen, es existiert

     lim x0f(x) - f(0) x - 0 = lim x0f(x) x ,

dann liefert f(xn) xn für jede Nullfolge (xn) mit xn0 den gleichen Grenzwert.

(a) Es gelte zunächst xn > 0 und xn 0. Dann ist f(xn) = xn2 und damit f(xn) xn = xn 0.

(b) Es gelte jetzt xn < 0 und xn 0. Dann ist f(xn) = |xn| und damit f(xn) xn = |xn| xn = -1. PICT   !

Offenbar existieren rechtsseitiger und linksseitiger Grenzwert des Differenzenquotienten, aber beide sind verschieden.

5. Es sei f(x) = ex.

Behauptung: f(x) = ex für alle x IR.

Sei a IR und xa. Dann ist

     f(x) - f(a) x - a = ex - ea x - a = ea ex-a - 1 x - a = ea eh - 1 h , für h := x - a.

g.z.z.: lim h0eh - 1 h = 1.

Es ist

     eh - 1 h = 1 h n=1hn n! = n=1hn-1 n! .

Diese Reihe ist für alle h IR absolut konvergent. Nach dem Lemma zum Identitätssatz für Potenzreihen (Kapitel 4, 4/5/7/2 ) sind Potenzreihen in ihrem Mittelpunkt stetig. Der Mittelpunkt ist hier 0, folglich gilt für jede Folge hν 0

     g(hν) := n=1hνn-1 n! = n=0 hνn (n + 1)! ν 1,

Also

     lim h0eh - 1 h = 1.

6. Es sei f(x) = sin x.

Behauptung: f(x) = cos x.

Sei a IR und xa. Dann ist

     f(x) - f(a) x - a = sin x - sin a x - a = 2 sin x-a 2 cos x+a 2 x - a =

     cos x + a 2 sin x-a 2 x-a 2 = cos x + a 2 sin h h für h := x - a 2 .

Für x a gilt h 0 und umgekehrt.

cos ist stetig, folglich ist lim xa cos x + a 2 = cos a + a 2 = cos a.

g.z.z.: lim h0sin h h = 1.

Es ist

     sin h h = 1 h n=0(-1)n h2n+1 (2n + 1)! = n=0(-1)n h2n (2n + 1)!.

Analog wie im 5. Beispiel ist diese Potenzreihe ebenfalls in ihrem Mittelpunkt 0 stetig. Folglich ist

     lim h0sin h h = lim h0 n=0(-1)n h2n (2n + 1)! = 1.

Also

     lim xasin x - sin a x - a = cos a = sin a.

Bemerkung. Bei der Definition der Differenzierbarkeit sind wir vom Differenzenquotienten ausgegangen und haben dessen Limes gebildet. Dieses Herangehen funktioniert in IR recht gut, es läßt sich so aber nicht auf Funktionen mehrerer Veränderlicher übertragen, da z.B. in IRn eine solche Division nicht erklärt ist. Daher werden wir jetzt eine gleichwertige Definition der Differenzierbarkeit aufstellen, die sich auch auf Funktionen mehrerer Veränderlicher übertragen läßt. Hierbei wird gleichzeitig das „Wesen der Differenzierbarkeit“ herausgearbeitet.

Sei f : IR IR und a IR. Ist f in a differenzierbar, dann existiert bekanntlich der Grenzwert:

     b := f(a) = lim xaf(x) - f(a) x - a ,

folglich gibt es eine Funktion r(x) : IR IR, so daß r(x)xa0 und

     f(x) - f(a) x - a = b + r(x)

     f(x) = f(a) + b (x - a) + r(x) (x - a).

Damit haben wir folgende Information:

Ist f in a differenzierbar, dann gibt es eine reelle Zahl b und eine Funktion r mit r(x)xa0, so daß sich die Funktion f in einer Umgebung von a darstellen läßt in der Form:

     f(x) = f(a) + b(x - a) + r(x)(x - a).

Offenbar ist o(x) := r(x)(x - a) ebenfalls eine Funktion, so daß

     lim xa o(x) |x - a| = lim xar(x)(x - a) |x - a| = lim xar(x) = 0.

(In diesem Zusammenhang sagen wir auch, daß o(x) mit x a von höherer als erster Ordnung gegen null strebt.)

Umgekehrt gelte nun folgendes:

Die Funktion f sei in einer Umgebung U(a) definiert, und es gebe eine Konstante b und eine Funktion o(x) : IR IR, so daß für alle x U(a) gilt:

     f(x) = f(a) + b(x - a) + o(x), wobei lim xa o(x) |x - a| = 0.

Für xa gilt dann

     f(x) - f(a) x - a = b + r*(x), wobei r*(x) := o(x) x - a.

Offenbar ist

     lim xar*(x) = 0.

Folglich existiert

     lim xaf(x) - f(a) x - a = b,

d.h., f ist an der Stelle a differenzierbar und f(a) = b. Hieraus ergibt sich sofort, daß das nach Voraussetzung existierende b schon eindeutig bestimmt ist.

Definition. (eine weitere Definition der Differenzierbarkeit) f ist in a differenzierbar =Df

f ist in einer Umgebung U(a) definiert, und es gibt eine reelle Zahl b und eine Funktion o(x) : IR IR mit o(x) |x - a|xa0, so daß für jedes x U(a) gilt: f(x) = f(a) + b(x - a) + o(x).

Bemerkung. Das Wesen dieser Definition besteht darin, daß wir die Funktion f als lineare Funktion t(x) = f(a) + b(x - a) plus einem Rest o(x) dargestellt haben, wobei der Rest für „kleine“ x - a selbst „klein“ wird, dies bedeutet eben lim xa o(x) |x - a| = 0. Hierfür sagen wir auch:

     Die Funktion f läßt sich in U(a) linear approximieren.

Differenzierbarkeit einer Funktion f in a bedeutet also nichts anderes, als f in einer Umgebung U(a) durch eine lineare Funktion hinreichend gut approximieren zu können. Das ist das Wesen der Differenzierbarkeit, und dies läßt sich auch auf Funktionen mehrerer Veränderlicher übertragen. Davon werden wir im nächsten Kapitel noch Gebrauch machen. (vgl. auch Abb. 7.5)

 

PICT

Satz 7.1 Ist f in a differenzierbar, dann ist f in a stetig.

Beweis. g.z.z.: lim xaf(x) = f(a).

Für xa ist f(x) - f(a) = f(x) - f(a) x - a (x - a). Nach Voraussetzung ist lim xaf(x) - f(a) x - a = f(a), folglich gilt

     lim xaf(x) - f(a) x - a (x - a) = lim xaf(x) - f(a) x - a lim xa(x - a) = f(a) 0 = 0

Damit erhält man

     lim xaf(x) - f(a) = 0 lim xaf(x) = f(a).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Bemerkung. Aus der Differenzierbarkeit folgt also die Stetigkeit; die Umkehrung gilt im allgemeinen nicht. Eine differenzierbare Funktion, deren Ableitung stetig ist, heißt stetig differenzierbar.

Satz 7.2 (Summenregel) Sind f,g in a differenzierbar, dann ist f + g in a differenzierbar, und es ist (f + g)(a) = f(a) + g(a) (oder kurz (f + g) = f + g).

Beweis. Es ist

    (f + g)(x) - (f + g)(a) x - a = f(x) - f(a) x - a + g(x) - g(a) x - a xaf(a) + g(a)   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.3 (Produktregel) Sind f,g in a differenzierbar, dann ist f g in a differenzierbar, und es ist (f g)(a) = f(a) g(a) + f(a) g(a) (oder kurz (f g) = fg + fg).

Beweis. Es ist

     (f g)(x) - (f g)(a) x - a = f(x) g(x) - f(a) g(a) x - a =

     f(x) g(x) - f(x) g(a) + f(x) g(a) - f(a) g(a) x - a =

     f(x) g(x) - f(x) g(a) x - a + f(x) g(a) - f(a) g(a) x - a =

     f(x) stetigf(a), g(x) - g(a) x - a differenzierbarg(a), + g(a) f(x) - f(a) x - a differenzierbarf(a), xa f(a) g(a) + g(a) f(a).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.4 Ist f in a differenzierbar und f(a)0, dann ist 1 f in a differenzierbar, und es ist 1 f(a) = -f(a) f2(a).

Beweis. Es ist

     1 f(x) -1 f(a) x - a = 1 f(x) - 1 f(a) x - a = f(a) - f(x) f(x) f(a) x - a =

     - 1 f(x) f(a) 1 f2(a) f(x) - f(a) x - a f(a) xa - f(a) f2(a).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Korollar. (Quotientenregel ) Sind f,g in a differenzierbar und ist g(a)0, dann ist f g in a differenzierbar, und es ist f g(a) = f(a) g(a) - f(a) g(a) g2(a) oder kurz f g = fg - fg g2 .

Beweis. (mit Hilfe von Satz 7.4 und der Produktregel)

Es ist f g(x) = f(x) 1 g(x), folglich gilt

    f g(a) = f(a) 1 g(a) + f(a) - g(a) g2(a) = f(a) g(a) - f(a) g(a) g2(a) .   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.5 (Kettenregel) Ist g in a und f in g(a) differenzierbar, dann ist f g in a differenzierbar, und es ist (f g)(a) = f(g(a)) g(a) (äußere Ableitung mal innere Ableitung“).

Beweis. Es sei b = g(a), dann ist f nach Voraussetzung in b differenzierbar. Folglich existiert lim ybf(y) - f(b) y - b = f(b), und für y - b := k ist lim k0f(b + k) - f(b) k = f(b).

Wir definieren jetzt eine für den Beweis nützliche Hilfsfunktion:

     ψ(k) = f(b+k)-f(b)-   ′
    k     - f (b),  f�ur k ←�=  0,        0,          f�ur k =  0.

Dann ist ψ in k = 0 stetig, denn lim k0ψ(k) = 0 = ψ(0). Damit gilt für alle k in einer Umgebung U(0):

     f(b + k) - f(b) = k f(b) + k ψ(k). ()

Weiterhin sei x := a + h und φ(h) := g(a + h) - g(a). Dann ist lim h0φ(h) = 0 = φ(0), und damit ist φ in 0 stetig. Folglich gilt

     (f g)(x) - (f g)(a) x - a = f(g(x)) - f(g(a)) x - a = f(g(a + h)) - f(g(a)) h =

     f(φ(h) + g(a)) - f(g(a)) h := ()

Ersetzt man in () k durch φ(h), dann erhält man

     () = f(b + k) - f(b) h = k f(b) + k ψ(k) h =

     φ(h) h f(b) + φ(h) h ψ(φ(h)).

Es ist

     φ(h) h = g(a + h) - g(a) h h0 g(a),

denn g ist in a differenzierbar. Weiterhin sind ψ und φ in 0 stetig, folglich gilt

     lim h0ψ(φ(h)) = ψ(lim h0φ(h)) = ψ(φ(0) =0) = ψ(0) = 0.

Insgesamt erhält man

     lim xa(f g)(x) - (f g)(a) x - a =

     lim h0 φ(h) h g(a) f(b) + φ(h) h ψ(φ(h)) 0 =

     f(b) g(a) = f(g(a)) g(a).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.6 (Ableitung der Umkehrfunktion) Ist f in einer Umgebung U(a) von a stetig und streng monoton, und ist f in a differenzierbar und f(a)0, dann ist f-1 in b := f(a) differenzierbar, und es ist (f-1)(b) = 1 f(a).

Beweis. Nach Satz 5.8 ist f-1 in einer Umgebung von b = f(a) stetig. Für x U(a) ist y = f(x) x = f-1(y); insbesondere ist a = f-1(b). Dann gilt

     f-1(y) - f-1(b) y - b = f-1(f(x)) - f-1(f(a)) f(x) - f(a) = x - a f(x) - f(a) = 1 f(x)-f(a) x-a .

Wenn y b, also f(x) f(a), so gilt wegen der Stetigkeit von f-1 in b = f(a)

     f-1(f(x)) =xf-1(f(a)) =a, also x a.

Es gilt auch umgekehrt: Wenn x a, so y = f(x) f(a) = b. Also y b x a. Folglich existiert

     lim ybf-1(y) - f-1(b) y - b = (f-1)(b),

und es ist

     (f-1)(b) = lim ybf-1(y) - f-1(b) y - b = lim xa 1 f(x)-f(a) x-a = 1 f(a).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Beispiele.

1. Es sei g(x) differenzierbar und f(x) = c g(x).

Dann ist auch c g(x) differenzierbar und (c g(x)) = c =0 f(x) + c f(x) = c f(x).

2. f(x) = cos x. Dann gilt

     f(x) = cos x = sin(x + π 2 ) = sin(g(x)), für g(x) := x + π 2

     f(x) = (cos x) = sin (g(x)) g(x) =1 = cos(x + π 2 ) = - sin x.

3. f(x) = ln x.

ln x ist die Umkehrfunktion der Exponentialfunktion zur Basis e. Folglich gilt

     y = ln x := g-1(x) x = ey := g(y)

und damit

     f(x) = (ln x) = (g-1)(x) = 1 g(y) = 1 (ey) = 1 ey = 1 x.

4. f(x) = xx.

Es ist f(x) = xx = exln x

     f(x) = (exln x) = exln x (x ln x) = xx(ln x + 1).

Definition. (höhere Ableitungen) Sei f in U(a) differenzierbar und f die 1. Ableitung von f in U(a). f ist in a zweimal differenzierbar =Df

f ist in a differenzierbar; f(a) := (f)(a) heißt 2. Ableitung von f in a.
Induktiv definiert man n-mal differenzierbar und die n-te Ableitung von f in a.

     Bez. f(n)(a) = dnf dxn(a); f(0)(a) := f(a).

Satz 7.7 Sind f und g in a n-mal differenzierbar, dann sind f ± g und f g in a n-mal differenzierbar, und es ist (f ± g)(n)(a) = f(n)(a) ± g(n)(a) und

(f g)(n)(a) = i=0nn i f(i)(a) g(n-i)(a).

Beweis. Übungsaufgabe ! (Man führt den Beweis leicht induktiv über n).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

7.2 Mittelwertsätze; der Satz von Taylor

Satz 7.8 (Satz von Rolle) Ist a < b und f in [a,b] stetig und in (a,b) differenzierbar und ist f(a) = f(b), dann existiert ein c (a,b), so daß f(c) = 0.

Beweis.

PICT

Fall 1. f ist konstant. Dann ist f(c) = 0 sogar für jedes c (a,b).

Fall 2. f ist nicht konstant.

Da f in [a,b] stetig ist, besitzt f dort ein Maximum und ein Minimum. Wenigstens eins von beiden wird im Inneren des Intervalls angenommen, da sonst f konstant ist. Es werde o.B.d.A. das Minimum an einer Stelle c (a,b) angenommen, d.h., f(x) f(c) für jedes x [a,b].

Behauptung: f(c) = 0.

Nach Voraussetzung existiert

     lim xcf(x) - f(c) x - c = f(c),

folglich existieren auch rechtsseitiger und linksseitiger Grenzwert des Differenzenquotienten und beide sind gleich f(c).

Für x > c, also x - c > 0, ist f(x) - f(c) x - c 0 und somit

     lim xc x>c f(x) - f(c) x - c = f(c) 0.

Es sei nun x < c. Folglich ist x - c < 0, also f(x) - f(c) x - c 0 und damit

     lim xc x<c f(x) - f(c) x - c = f(c) 0.

Insgesamt erhält man

     0 f(c) 0f(c) = 0.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.9 (1. Mittelwertsatz der Differentialrechnung) Ist a < b und f in [a,b] stetig und in (a,b) differenzierbar, dann gibt es ein c (a,b), so daß f(b) - f(a) b - a = f(c).

Beweis. (Der Beweis erfolgt mit Hilfe des Satzes von Rolle.)

PICT

Wir betrachten die folgende Hilfsfunktion, auf die wir den Satz von Rolle anwenden werden:

     g(x) := f(x) -f(b) - f(a) b - a (x - a).

(Von f wird eine lineare Funktion subtrahiert, die den gleichen Anstieg besitzt, wie die Sekante durch die Punkte (a,f(a)) und (b,f(b)).)

Offenbar ist g in [a,b] stetig und in (a,b) differenzierbar, und es gilt

     g(a) = f(a) = g(b).

Für die Funktion g existiert dann nach dem Satz von Rolle ein Element c (a,b), so daß

     g(c) = 0 = f(c) -f(b) - f(a) b - a

     f(c) = f(b) - f(a) b - a .   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Korollar. Ist I ein Intervall in IR, f in I differenzierbar, und ist f(x) = 0 für jedes x I, dann ist f in I konstant.

Beweis. g.z.z.: Wenn x1,x2 I, so f(x1) = f(x2).

Sei o.B.d.A. x1 < x2. Nach Voraussetzung ist f in I differenzierbar, folglich ist f auch in [x1,x2] differenzierbar und stetig. Nach dem 1. Mittelwertsatz gibt es dann ein c (x1,x2), so daß f(x2) - f(x1) x2 - x1 = f(c).

Wegen f(c) = 0 ist f(x2) - f(x1) = 0 und somit f(x1) = f(x2).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.10 (2. Mittelwertsatz der Differentialrechnung) Ist a < b und sind f und g in [a,b] stetig und in (a,b) differenzierbar und ist g(x)0 für jedes x (a,b), dann gibt es ein c (a,b), so daß f(b) - f(a) g(b) - g(a) = f(c) g(c). (Das bedeutet, daß der Quotient des Anstiegs der Sekanten beider Funktionen in dem Intervall [a,b] gleich dem Quotienten des Anstiegs der Tangenten an einer geeigneten Zwischenstelle ist.)

Beweis. Es ist g(b)g(a); anderenfalls gäbe es nach dem Satz von Rolle ein c (a,b), so daß g(c) = 0 PICT   !

Ähnlich wie im Beweis des 1. Mittelwertsatzes betrachten wir eine Hilfsfunktion

     φ(x) := f(x) -f(b) - f(a) g(b) - g(a) g(x) - g(a).

Offensichtlich ist φ in [a,b] stetig und in (a,b) differenzierbar (denn f und g haben diese Eigenschaften), und es ist

     φ(a) = f(a) und

     φ(b) = f(b) -f(b) - f(a) g(b) - g(a) g(b) - g(a) = f(b) -f(b) - f(a) = f(a).

Also φ(a) = φ(b). Folglich läßt sich auf φ der Satz von Rolle anwenden; d.h., es gibt ein c (a,b) mit φ(c) = 0. Wir bilden die Ableitung von φ an der Stelle c :

     φ(c) = 0 = f(c) -f(b) - f(a) g(b) - g(a) g(c)

     f(b) - f(a) g(b) - g(a) = f(c) g(c).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Als eine wichtige Anwendung dieses Satzes erhält man die sog. Taylorsche Formel.

Satz 7.11 (Satz von Taylor) Sei I ein Intervall und a I. Ist f in I (n + 1)-mal differenzierbar, dann gibt es für jedes x I ein ϑ ( = ϑ(x)) mit 0 < ϑ < 1, so daß

     f(x) = f(a) + f(a) 1! (x - a)1 + + f(n)(a) n! (x - a)n + R n(x), wobei

     Rn(x) = f(n+1)(a + ϑ(x - a)) (n + 1)! (x - a)(n+1).

Rn(x) heißt Lagrange’sches Restglied, p(x) := i=0nf(i)(a) i! (x - a)i heißt Taylorpolynom, wobei f(0)(x) := f(x), und f(x) = p(x) + Rn(x) heißt Taylorsche Formel.

Beweis. Wir betrachten die folgende Hilfsfunktion

φ(x) = f(x) - p(x) = f(x) - f(a) -f(a) 1! (x - a) - -f(n)(a) n! (x - a)n.

Offenbar ist φ in I (n + 1)-mal differenzierbar, denn f hat diese Eigenschaft, und p(x) ist ein Polynom. Induktiv zeigt man leicht

φ(a) = φ(a) = = φ(n)(a) = 0 und φ(n+1)(x) = f(n+1)(x).

Der Anfangsschritt φ(a) = 0 ist trivial.

φ(x) = f(x) - 0 - f(a) -f(a) 2! 2(x - a)1 - -f(n)(a) n! n(x - a)n-1

φ(a) = 0 usw.

Da Polynome n-ten Grades bei (n + 1)-maliger Differentiation zu null werden, erhält man

     φ(n+1)(x) = f(n+1)(x).

ψ(x) sei eine weitere Hilfsfunktion mit

     ψ(x) := (x - a)n+1

     ψ(a) = ψ(a) = = ψ(n)(a) = 0 und ψ(n+1)(x) = (n + 1)!

für jedes x und

     ψ(i)(x) = (n + 1) n(n - i + 1) (x - a)n-i0

falls xa und i = 0,,n.

Wir wenden den 2. Mittelwertsatz mehrmals an. Für x I, xa, und o.B.d.A. a < x gilt dann

     φ(x) ψ(x) = φ(x) - φ(a) ψ(x) - ψ(a)   (denn φ(a) = ψ(a) = 0)

        = φ(x1) ψ(x 1)   für ein x1 (a,x)

        = φ(x1) - φ(a) ψ(x 1) - ψ(a)   (denn φ(a) = ψ(a) = 0)

        = φ(x2) ψ(x2)   für ein x2 (a,x1)

       

        = φ(n)(xn) ψ(n)(x n)   für ein xn (a,xn-1)

        = φ(n)(xn) - φ(n)(a) ψ(n)(x n) - ψ(n)(a)   (denn φ(n)(a) = ψ(n)(a) = 0)

        = φ(n+1)(xn+1) ψ(n+1)(x n+1)   für ein xn+1 (a,xn).

Hieraus erhält man insgesamt

     φ(x) ψ(x) = φ(n+1)(xn+1) ψ(n+1)(x n+1) und a < xn+1 < xn < < x1 < x

es gibt ein ϑ mit 0 < ϑ < 1, so daß xn+1 = a + ϑ(x - a).

Folglich ist

     φ(x) = φ(n+1)(x n+1) ψ(n+1)(xn+1) ψ(x) = f(n+1)(a + ϑ(x - a)) (n + 1)! (x - a)n+1 := R n(x),

und nach Definition gilt

     φ(x) = f(x) - f(a) -f(a) 1! (x - a) - -f(n)(a) n! (x - a)n.

Hieraus erhält man sofort die Behauptung.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Bemerkung. Für n = 0 liefert der Taylor’sche Satz als Spezialfall den 1. Mittelwertsatz der Differentialrechnung.

Korollar. Es sei I ein Intervall mit a I, f sei in I beliebig oft differenzierbar, und für jedes n IN sei f(x) = pn(x) + Rn(x), wobei pn(x) das Taylorpolynom und Rn(x) das Lagrange’sche Restglied in der Taylorschen Formel ist (siehe Satz 7.11). Wenn lim nRn(x) = 0 für jedes x I, dann konvergiert die Folge pn(x) der Partialsummen der Reihe i=0f(i)(a) i! (x - a)i gegen f(x). (Unter den angegebenen Voraussetzungen läßt sich f in eine sog. Taylorreihe entwickeln, d.h.,

f(x) = i=0f(i)(a) i! (x - a)i.)

Beweis. Nach der Taylorschen Formel gilt für jedes n IN und für jedes x I:

     f(x) = pn(x) + Rn(x)

     f(x) - pn(x) = Rn(x) n 0.

Folglich gilt

     pn(x) n f(x),

und da pn(x) die Folge der Partialsummen von i=0f(i)(a) i! (x - a)i ist, erhält man

     f(x) = i=0f(i)(a) i! (x - a)i.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Bemerkung. i=0f(i)(a) i! (x - a)i heißt Taylorreihe von f(x) in a.

Für a = 0 heißt die Reihe auch Mac Laurin’sche Reihe.

PICT

Die Taylorreihe von f läßt sich (formal) schon immer dann bilden, wenn f in I beliebig oft differenzierbar ist. Aber nur wenn auch Rn(x) n 0 gilt, dann stellt die Taylorreihe die Funktion f dar.

Wir betrachten jetzt ein Beispiel, in dem f beliebig oft differenzierbar ist, aber

     f(x) i=0f(i)(a) i! (x - a)i.

Beispiele.

1. Es sei f(x) =   -1
e-x2,   wenn  x ←�=  0,  0,    wenn  x =  0.

Man kann leicht zeigen, daß f in einer Umgebung von 0 beliebig oft differenzierbar ist. (Induktiv beweist man, daß die n-te Ableitung für x0 immer die Gestalt e- 1 x2 r(x) hat, wobei r(x) eine rationale Funktion ist, und die (n + 1)-te Ableitung für x = 0 existiert und 0 ist.)

Folglich gilt stets f(n)(0) = 0, und damit

     f(x) 0 i=0f(i)(0) i! =0 (x - 0)i = 0.


Abb. 7.9a


Abb. 7.9b

PICT

2. Es sei f(x) = ex, a = 0, > 0 und I = (-,).

Dann ist offenbar f in I für jedes n IN (n + 1)-mal differenzierbar. Nach dem Satz von Taylor erhält man für x I:

     f(x) = ex = i=0nf(i)(0) i! (x - 0)i + f(n+1)(0 + ϑ(x - 0)) (n + 1)! (x - 0)n+1

         = 1 + 1 1! x + 1 2! x2 + + 1 n! xn + eϑx (n + 1)! xn+1,

wobei 0 < ϑ < 1.

Folglich ist

     Rn(x) = eϑx xn+1 (n + 1)!.

eϑx ist in I beschränkt, denn |eϑx| eϑ|x| eϑ := c. Weiterhin ist |xn+1| = |x|n+1 n+1 für jedes n IN, und es ist lim n n+1 (n + 1)! = 0.

Ist ε > 0 gegeben, dann existiert ein n0, so daß für jedes n n0 gilt:

     n+1 (n + 1)! < ε c.

Folglich gilt

     |Rn(x)| = eϑx c xn+1 (n + 1)! n+1 (n+1)! c n+1 (n + 1)! <ε c < ε

für hinreichend große n IN. Damit läßt sich die Exponentialfunktion ex in einem gegebenen Intervall (-,) (und somit auch in jedem Intervall [a,b] (-,)) durch ein Polynom pn(x) = i=0nxi i! mit vorgegebener Genauigkeit ε approximieren. (Die komplizierteste Aufgabe bei derartigen Approximationen besteht meistens in der Abschätzung des Restgliedes.)

Insbesondere erhält man für x = 1

     e = e1 = i=0n 1 i! + Rn(1) und |Rn(1)| < ε,

d.h., e kann mit beliebiger Genauigkeit berechnet werden.

Nach dem Korollar gilt für die Exponentialfunktion

     ex = i=0f(i)(0) i! xi = i=01 i! xi,

wodurch die Definition dieser Funktion als Reihe nachträglich gerechtfertigt ist.

7.3 Anwendungen der Differentialrechnung; Grenzwerte für Quotienten von Funktionen

Satz 7.12 (Regel von de l’Hospital für 0 0) Voraussetzung :

  (1)

Sei a < b und seien f,g in (a,b) differenzierbar und in a (rechtsseitig) stetig.
  (2) Sei f(a) = g(a) = 0 und g(x)0 für jedes x (a,b).

Behauptung :

Existiert lim xa x>a f(x) g(x), dann existiert lim xa x>a f(x) g(x), und es ist lim xa x>a f(x) g(x) = lim xa x>a f(x) g(x).

Beweis. (Der Beweis erfolgt mit Hilfe des 2. Mittelwertsatzes.) Es sei lim xa x>a f(x) g(x) = a*. Dann gibt es für jedes ε > 0 ein δ > 0, so daß für jedes x mit a < x < a + δ gilt: f(x) g(x) - a* < ε.

z.z.: Für jedes ε > 0 gibt es ein δ > 0, so daß für jedes x mit a < x < a + δ gilt:

     f(x) g(x) - a* < ε.

Zunächst gilt: g(x)0 für jedes x (a,b).

Angenommen, es existiert ein x (a,b) mit g(x) = 0. Dann gibt es nach dem Satz von Rolle ein c (a,x), so daß g(c) = 0. PICT   !

Sei jetzt ε > 0 und δ entsprechend der Existenz von lim xa x>a f(x) g(x) = a* gewählt. Nach dem 2. Mittelwertsatz der Differentialrechnung gilt dann für a < x < a + δ:

     f(x) g(x) - a* = f(x) - f(a) g(x) - g(a) - a* = f(c x) g(c x) - a* < ε,

für ein cx mit a < cx < x < a + δ.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Korollar 1.

Voraussetzung :   (1) Sei a > 0 und f,g seien in (a,) differenzierbar.

  (2) Sei lim xf(x) = lim xg(x) = 0 und g(x)0 für jedes x (a,).

Behauptung :

Existiert lim xf(x) g(x), dann existiert lim xf(x) g(x), und es ist lim xf(x) g(x) = lim xf(x) g(x).

Beweisidee. Es werden Hilfsfunktionen φ und ψ definiert:

     φ(x) =   1                 1
f(x),   f�ur  0 < x < a , 0,     f�ur  x = 0.

     ψ(x) = g(1),  f�ur  0 < x < 1,
 0x,    fur  x = 0.  a        �

Man überlegt sich leicht, daß φ und ψ in (0, 1 a) differenzierbar und in 0 (rechtsseitig) stetig sind. Dann läßt sich die Regel von de l’Hospital auf φ,ψ an der Stelle 0 anwenden. Daraus erhält man die Behauptung.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Korollar 2. (Regel von de l’Hospital für “ ) Voraussetzung :

  (1) Sei a < b und seien f,g in (a,b) differenzierbar.

  (2) Sei lim xa x>a f(x) = lim xa x>a g(x) = und g(x)0 für jedes x (a,b). Behauptung :

Existiert lim xa x>a f(x) g(x), dann existiert lim xa x>a f(x) g(x), und es ist lim xa x>a f(x) g(x) = lim xa x>a f(x) g(x).

Beweis. Wir zeigen zunächst, daß g in (a,b) stets positiv oder stets negativ ist. Angenommen, es gibt Elemente a < b in (a,b), so daß g(a) < 0 < g(b) (den Fall g(a) > 0 > g(b) beweist man analog). Da g in (a,b) differenzierbar ist, ist g in [a,b] stetig und besitzt dort ein Minimum und ein Maximum. Wenigstens eins von beiden liegt im Inneren der Intervalls. Sei c eine Extremstelle von g in (a,b). Dann ist g(c) = 0 (siehe Beweis des Satzes von Rolle). PICT   ! Da g in (a,b) das Vorzeichen nicht wechselt, ist g dort streng monoton (dies folgt sofort aus Satz 7.9). Wegen lim xa x>a g(x) = ist g in (a,b) streng monoton fallend und in einer hinreichend kleinen rechtsseitigen Umgebung von a positiv.

Mit diesen Informationen beweisen wir nun die Behauptung. Sei ε > 0. Nach Voraussetzung existiert lim xa x>a f(x) g(x) := c (c IR). Folglich gibt es nach Definition des Limes ein u (a,b), so daß

     f(x) g(x) - c < ε 2 für alle x (a,u).

Wir wählen jetzt u so nahe bei a, daß g in (a,u] positiv ist. Nach dem 2. Mittelwertsatz der Differentialrechnung gibt es für jedes x mit a < x < u ein ξ (x,u), so daß

     f(u) - f(x) g(u) - g(x) = f(ξ) g(ξ).

Dann gilt für jedes feste u (a,b) und jedes x (a,u):

     f(u) - f(x) g(u) - g(x) - c = f(ξ) g(ξ) - c < ε 2.

Weiterhin ist

     f(x) g(x) - c = f(u) - cg(u) g(x) + 1 -g(u) g(x)f(u) - f(x) g(u) - g(x) - c. ()

(() kann durch ausrechnen bewiesen werden.)

Wegen a < x < u ist 0 < g(x) < g(u) und somit 0 < g(u) g(x) < 1. Damit erhält man

     f(x) g(x) - c f(u) - cg(u) g(x) + 1 -g(u) g(x) <1f(u) - f(x) g(u) - g(x) - c<ε 2

      < 1 g(x)|f(u) - cg(u)|:=d + ε 2 (u fest d konstant)

      = d g(x) + ε 2.

Wegen lim xa x>a g(x) = ist lim xa x>a 1 g(x) = 0. Folglich existiert ein δ mit 0 < δ < u - a, so daß für jedes x (a,a + δ) gilt: d g(x) < ε 2. Hieraus folgt schließlich für alle x (a,a + δ):

     f(x) g(x) - c < d g(x) + ε 2 < ε lim xa x>a f(x) g(x) = c.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Bemerkung. (1) Der Beweis läßt sich nicht unmittelbar auf den Fall „ 0 0“ zurückführen, denn differenziert man in 1 g1 f Zähler und Nenner, dann kommen in der jeweiligen Ableitung f2 bzw. g2 vor, und über das Grenzverhalten des entsprechenden Quotienten dieser Funktionen weiß man nicht Bescheid.

(2) Satz 7.12 und die Korollare 1 und 2 können analog auf die folgenden Fälle übertragen werden:

     lim xa x<a f(x) = lim xa x<a g(x) = 0,

     lim xaf(x) = lim xag(x) = 0,

     lim x-f(x) = lim x-g(x) = 0,

     lim xa x<a f(x) = lim xa x<a g(x) = ±,

     lim xaf(x) = lim xag(x) = ±,

     lim xf(x) = lim xg(x) = ±,

     lim x-f(x) = lim x-g(x) = ±.

(3) Häufig läßt sich der Grenzwert lim xf(x) g(x) leichter bestimmen als lim xf(x) g(x). Daher sind die oben angegebenen Regeln oft sehr hilfreich bei der Berechnung solcher Limites.

(4) Einen Ausdruck der Form „ 0 “ kann man in eine der Formen „ 0 0“ oder „ “ überführen. Denn wenn lim xf(x) = 0 und lim xg(x) = , so ist

     lim xf(x) g(x) = lim xf(x) 1 g(x) = lim xg(x) 1 f(x) ,

falls diese Limites existieren.

(5) Ausdrücke der Form „ 00“, „ 0“ und „ 1“ lassen sich auf die vorhergehenden Fälle zurückführen, indem man die Definition der Potenzfunktion mit Hilfe des natürlichen Logarithmus ausnutzt:

     f(x)g(x) = eg(x)ln f(x).

     Wenn f(x) 0, so ln f(x) -,

     wenn f(x) , so ln f(x) ,

     wenn f(x) 1, so ln f(x) 0.

Man versucht zunächst, den Grenzwert des Exponenten in eg(x)ln f(x) zu bestimmen. Mit diesem Wert erhält man dann wegen der Stetigkeit der Exponentialfunktion den Grenzwert von f(x)g(x).

Beispiele.

1. Es sei f(x) = ex - 1 und g(x) = sin x.

Man berechne lim x0f(x) g(x).

Es ist

     f(x) g(x) = (ex - 1) (sin x) = ex cos x x0 1 1 = 1.

Also

     lim x0ex - 1 sin x = 1.

2. Es sei f(x) = (ex - 1)2 und g(x) = x2.

Man berechne lim x0f(x) g(x).

Es ist

     f(x) g(x) = (ex - 1)2 (x2) = (ex - 1) ex x .

Den Grenzwert dieses Quotienten kann man noch nicht unmittelbar auswerten, da Zähler und Nenner wieder gegen null streben. Daher versuchen wir, die Regel auf den neu entstandenen Quotienten noch einmal anzuwenden, da er die Voraussetzungen der Regel von de l’Hospital erfüllt.

     (ex - 1) ex (x) = ex ex + (ex - 1) ex 1 = 2e2x - ex x0 2 - 1 = 1.

Also

     1 = lim x0f(x) g(x) = lim x0f(x) g(x) = lim x0f(x) g(x).

Achtung! Die Regeln dürfen nicht „formal“ angewendet werden, man hat immer zu überprüfen, ob die Voraussetzungen zur Anwendung einer Regel erfüllt sind. Betrachtet man z.B. die Funktionen f(x) = ex - 1 und g(x) = x2 und geht man formal vor bei der Bestimmung des Grenzwertes lim x0ex - 1 x2 , dann berechnet man zunächst die Ableitungen der Zähler- und Nennerfunktion und erhält f(x) = ex und g(x) = 2x. Der Nenner strebt wieder gegen null, aber nicht der Zähler. Wenn man jetzt die Regel abermals (aber falsch) anwendet, also Zähler- und Nennerfunktion noch einmal differenziert, dann erhält man f(x) = ex und g(x) = 2. Damit existiert lim x0f(x) g(x) = 1 2, aber da die Voraussetzungen für f(x) g(x) nicht erfüllt waren, gilt nicht  

     lim x0f(x) g(x) = lim x0f(x) g(x) = lim x0f(x) g(x).

3. Es sei f(x) = sin x, g(x) = x und x > 0.

Man berechne lim x0 x>_0 f(x)g(x).

Nach Definition gilt f(x)g(x) = (sin x)x = exln(sin x).

Wir versuchen zunächst, den Grenzwert des Exponenten zu bestimmen. Es ist

     x ln(sin x) = ln(sin x) 1 x = - ln(sin x) -1 x .

Für x 0 streben in dem letzten Bruch Zähler und Nenner gegen -. Damit sind die Voraussetzungen für eine der de l’Hospitalschen Regeln erfüllt.

Zähler- und Nennerfunktion differenziert ergeben

     1 sin x cos x 1 x2 = x sin x 1 xcos x1 x0 0.

Also

     lim x0x ln(sin x) = 0

und damit

     lim x0(sin x)x = lim x0exln(sin x) = 1.

Bemerkung. Die Grenzwerte lim x0sin x x und lim x0ex - 1 x ließen sich auch mit Hilfe der Regeln von de l’Hospital bestimmen, aber um sin x bzw. ex überhaupt differenzieren zu können, benötigt man zuvor schon diese Limites.

Kurvendiskussion

Bei der Kurvendiskussion geht es darum, mit Hilfe der Differentialrechnung wichtige Informationen über eine Funktion zu erhalten, die einerseits besonders interessante Stellen und andererseits den globalen Verlauf der entsprechenden Kurve betreffen.

Hierzu sollte man zunächst den Definitionsbereich bestimmen und die Nullstellen der Funktion berechnen (falls dies möglich ist).

(a) Monotonie

Satz 7.13 Es sei a < b und f in I = (a,b) differenzierbar. Dann gilt :

  (1)

f ist in I monoton wachsend gdw f(x) 0 für jedes x I.
  (2)
f ist in I streng monoton wachsend gdw f(x) 0 für jedes x I, und es gibt kein Teilintervall (a,b) I mit a < b, so daß f(x) = 0 für alle x (a,b).

Beweis. (1). () Sei f in I monoton wachsend und c I.

z.z.: f(c) 0.

Für h > 0 ist f(c + h) - f(c) 0, und für h < 0 ist f(c + h) - f(c) 0. Also für alle h0 ist

     f(c + h) - f(c) h 0

     lim h0 f(c + h) - f(c) h 0 = f(c) 0.

() Für jedes x I gelte: f(x) 0.

z.z.: Wenn x1,x2 I und x1 < x2, so f(x1) f(x2).

Nach dem 1. Mittelwertsatz der Differentialrechnung gilt:

     f(x2) - f(x1) x2 - x1 = f(c)

für ein geeignetes c (x1,x2). Nach Voraussetzung ist f(c) 0 und somit f(x2) f(x1), denn x2 - x1 > 0.

(2). () Sei f in I streng monoton wachsend. Dann ist f monoton wachsend, also f(x) 0 für jedes x I. Gäbe es ein Teilintervall (a,b) I mit a < b, so daß f(x) dort null ist, dann wäre f in (a,b) konstant und damit nicht streng monoton (vgl. Korollar zu Satz 7.9).

() Wegen f(x) 0 in I ist f monoton wachsend. Wäre f nicht streng monoton wachsend in I, dann gäbe es ein Teilintervall (a,b) I, so daß f in (a,b) konstant ist. Also f(x) = 0 für jedes x (a,b). PICT   !   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Bemerkung. Die Behauptungen gelten völlig analog auch für monoton fallend (bzw. streng monoton fallend).

(b) Konvexität

Definition. (konvex) Sei a < b und f in I = (a,b) differenzierbar. (1)

f ist in I konvex (bzw. streng konvex) von unten =Df
Für jedes x,c I mit xc gilt: f(x) f(c) + f(c)(x - c)   bzw. f(x) > f(c) + f(c)(x - c),
(d.h., die Tangente an einer beliebigen Stelle c an der Funktion f liegt niemals „oberhalb“ der Funktion).
(2)
f ist in I konvex (bzw. streng konvex) von oben =Df
Für jedes x,c I mit xc gilt: f(x) f(c) + f(c)(x - c)   bzw. f(x) < f(c) + f(c)(x - c),
(d.h., die Tangente an einer beliebigen Stelle c an der Funktion f liegt niemals „unterhalb“ der Funktion).

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Satz 7.14 Sei a < b und f in I = (a,b) differenzierbar. Dann gilt : f ist in I konvex (bzw. streng konvex) von unten gdw f in I monoton (bzw. streng monoton) wächst. (Der Satz gilt analog für „von oben“ und „monoton fallend“.)

Beweis. () Sei f in I konvex von unten und seien c1,c2 I mit c1 < c2.

z.z.: f(c 1) f(c 2).

Nach Definition der Konvexität gilt:

     f(c2) f(c1) + f(c 1) (c2 - c1) und

     f(c1) f(c2) + f(c 2) (c1 - c2)

     f(c2) + f(c1) f(c1) + f(c2) + f(c 1) (c2 - c1) + f(c 2) (c1 - c2) -(c2-c1)

     0 (c2 - c1) >0 f(c 1) - f(c 2)

     f(c 1) - f(c 2) 0.

Hieraus folgt sofort die Behauptung.

() Sei f in I monoton wachsend und c,x I, xc, und o.B.d.A. sei c < x (den Fall x < c beweist man analog).

Nach dem 1. Mittelwertsatz der Differentialrechnung gibt es ein c1 mit c < c1 < x, so daß

     f(x) - f(c) x - c = f(c 1).

Da f in I monoton wächst, gilt

     f(x) = f(c) + f(c 1) f(c) (x - c) >0,

und damit ist f(x) f(c) + f(c) (x - c).

Den verbleibenden Teil der Behauptung: „streng konvex“ und „streng monoton“ zeigt man sehr leicht durch ähnliche Überlegungen wie im Beweis von Satz 7.13.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Korollar. Sei a < b und f in I = (a,b) zweimal differenzierbar.   (1)

f ist in I konvex von unten gdw f(x) 0 für jedes x I.

  (2)

f ist in I streng konvex von unten gdw f(x) 0 für jedes x I, und es gibt kein Teilintervall (a,b) I mit a < b, so daß f(x) = 0 für alle x (a,b).

  (3)

Die Behauptungen gelten analog für konvex bzw. streng konvex von oben.

Beweis. Mit Hilfe der Sätze 7.13 und 7.14 erhält man sofort

(1). f ist in I konvex von unten gdw

f in I monoton wächst gdw

f(x) 0 für jedes x I.

(2). f ist in I streng konvex von unten gdw

f in I streng monoton wächst gdw

f(x) 0 für jedes x I, und es gibt kein Teilintervall (a,b) I mit a < b, so daß f(x) = 0 für alle x (a,b).

(3) zeigt man analog.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

(c) Lokale oder relative Extrema

Definition. (lokales Extremum) Sei a < b, f in I = (a,b) definiert und c I. f besitzt an der Stelle c (oder kurz in c) ein lokales oder relatives Extremum (:= lokales Maximum bzw. lokales Minimum) =Df

Es gibt eine Umgebung U(c), so daß für jedes x U(c) mit xc gilt: f(c) > f(x) für ein lokales Maximum und f(c) < f(x) für ein lokales Minimum.

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Bemerkung. Für differenzierbare Funktionen können die Ergebnisse der Differentialrechnung ausgenutzt werden, um lokale Extrema zu bestimmen.

Satz 7.15 (Notwendige Bedingung für die Existenz eines lokalen Extremums)

Sei a < b, f in I = (a,b) differenzierbar und c I. Besitzt f in c ein lokales Extremum, dann ist f(c) = 0.

Beweis. Sei f(c) ein lokales Minimum von f in I (für ein lokales Maximum verläuft der Beweis analog).

Dann existiert eine Umgebung U(c), so daß für jedes x U(c) mit xc gilt:

     f(x) - f(c) x - c > 0 für x > c

und

     f(x) - f(c) x - c < 0 für x < c.

Da f in c differenzierbar ist, existiert der Grenzwert des Differenzenquotienten an der Stelle c, und er ist f(c). Folglich existieren auch rechts- und linksseitiger Grenzwert dieses Differenzenquotienten und beide Grenzwerte sind gleich f(c). Also

     lim xc x>c f(x) - f(c) x - c >0 = f(c) 0

und

     lim xc x<c f(x) - f(c) x - c <0 = f(c) 0.

Damit gilt insgesamt f(c) = 0.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Bemerkung. Ist f in c differenzierbar und f(c) = 0, dann heißt c auch kritischer oder stationärer Punkt von f. Aus der Kontraposition von Satz 7.15 folgt sofort, daß f höchstens an den kritischen Stellen ein lokales Extremum besitzen kann. Nur diese Stellen müssen untersucht werden, um alle lokalen Extrema aufzuspüren.

Satz 7.16 (Hinreichende Bedingung für die Existenz eines lokalen Extremums) Sei a < b, f in I = (a,b) zweimal differenzierbar und c I. Ist f(c) = 0 und f(c) > 0 (bzw. f(c) < 0), dann besitzt f in c ein lokales Minimum (bzw. ein lokales Maximum).

Beweis. Sei f(c) > 0 (den Fall f(c) < 0 beweist man analog).

Dann gilt nach der Definition der Differenzierbarkeit von f in c

     0 < f(c) = lim xcf(x) - f(c) x - c .

Nach den Eigenschaften des Grenzwertes gibt es eine Umgebung U(c), so daß

     f(x) - f(c) x - c > 0 für alle x U(c).

Wegen f(c) = 0 gilt also für alle x U(c)

     f(x) x - c > 0.

Folglich haben f(x) und x - c in U(c) stets das gleiche Vorzeichen.

Wenn also x > c, so f(x) > 0, und wenn x < c, so f(x) < 0.

Nach dem 1. Mittelwertsatz der Differentialrechnung gilt

     f(x) - f(c) x - c = f(c x),

wobei cx zwischen x und c liegt, also c < cx < x bzw. x < cx < c. Da die Funktionen f(x) und x - c links und rechts von c jeweils das gleiche Vorzeichen besitzen, folgt aus der letzten Gleichheit

     f(x) - f(c) = f(c x) (x - c) > 0 für x U(c) \{c}

     f(x) > f(c) für x U(c) \{c}.

Folglich besitzt f in c ein lokales Minimum.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.17 Sei a < b, f in I = (a,b) 2n-mal differenzierbar und c I. Ist f(c) = = f(2n-1)(c) = 0 und f(2n)(c) > 0 (bzw. f(2n)(c) < 0), dann besitzt f in c ein lokales Minimum (bzw. ein lokales Maximum).

Beweis. (Der Beweis erfolgt mit Hilfe des Satzes von Taylor.)

Sei f(2n)(c) > 0 (für f(2n)(c) < 0 verläuft der Beweis analog). Dann gilt

     0 < f(2n)(c) = lim xcf(2n-1)(x) - f(2n-1)(c) x - c

     f(2n-1)(x) - f(2n-1)(c) x - c > 0

für alle x U(c) \{c}, wobei U(c) eine hinreichend kleine Umgebung von c ist. Wegen f(2n-1)(c) = 0 gilt analog wie im Beweis von Satz 7.16, daß f(2n-1) und x - c links und rechts von c jeweils das gleiche Vorzeichen besitzen. Aus dem Satz von Taylor für 2n - 2 erhält man

     f(x) = f(c) + f(c) 1! (x - c) + + f(2n-2)(c) (2n - 2)! (x - c)2n-2+

         f(2n-1)(c + ϑ(x - c)) (2n - 1)! (x - c)2n-1.

Wegen f(c) = = f(2n-2)(c) = 0 gilt

     f(x) - f(c) = f(2n-1)(c + ϑ(x - c)) (2n - 1)! (x - c)2n-1 > 0,

denn 2n - 1 ist ungerade, folglich haben x - c und (x - c)2n-1 links und rechts von c gleiches Vorzeichen, und damit haben auch f(2n-1)(c + ϑ(x - c)) und (x - c)2n-1 gleiches Vorzeichen. Es ist also f(x) > f(c) für alle x U(c) \{c} und somit f(c) ein lokales Minimum von f.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Beispiel. Es sei f(x) = x4

Offensichtlich ist f(0) = f(0) = f(0) = 0 und f(4)(0) > 0. Damit ist eine hinreichende Bedingung für das Vorliegen eines lokalen Minimums an der Stelle x = 0 erfüllt. Das lokale Minimum selbst hat den Wert f(0) = 0. (vgl. Abb. 7.12)




 



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(d) Wendepunkte

Definition. (Wendepunkt) Sei a < b, f in I = (a,b) stetig und c I. f besitzt in c einen Wendepunkt =Df

f ist in (a,c) und in (c,b) differenzierbar und es gilt (f ist in einer linksseitigen Umgebung von c streng konvex von unten und in einer rechtsseitigen Umgebung von c streng konvex von oben) oder (f ist in einer linksseitigen Umgebung von c streng konvex von oben und in einer rechtsseitigen Umgebung von c streng konvex von unten).

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Ein Wendepunkt markiert also die Umkehr des Konvexitätsverhaltens der betrachteten Funktion.

Satz 7.18 Sei a < b, f in I = (a,b) 2-mal differenzierbar und c I. f besitzt in c einen Wendepunkt gdw f in c ein lokales Extremum besitzt.

Beweis. Übungsaufgabe ! (Man führt den Beweis mit Hilfe von Satz 7.14; da die Funktion f auch an der Stelle c differenzierbar ist, scheidet der Fall, daß eine „senkrechte Tangente“ existiert, aus.)   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.19 (Notwendige Bedingung für die Existenz eines Wendepunktes) Sei a < b, f in I = (a,b) zweimal differenzierbar und c I. Besitzt f in c einen Wendepunkt, dann ist f(c) = 0.

Beweis. Nach Voraussetzung ist f in I zweimal differenzierbar, folglich ist f in I noch differenzierbar. Da f in c einen Wendepunkt besitzt, hat f (nach Satz 7.18) in c ein lokales Extremum. Nach Satz 7.15 ist dann f(c) = 0.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.20 (Hinreichende Bedingung für die Existenz eines Wendepunktes) Sei a < b, f in I = (a,b) dreimal differenzierbar und c I. Ist f(c) = 0 und f(c)0, dann besitzt f in c einen Wendepunkt.

Beweis. Nach Voraussetzung ist f in I zweimal differenzierbar. Wegen der hinreichenden Bedingung für die Existenz eines lokalen Extremums (Satz 7.16) besitzt f in c ein lokales Extremum. Folglich hat f in c einen Wendepunkt.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.21 Sei a < b, f in I = (a,b) (2n + 1)-mal differenzierbar und c I. Ist f(c) = = f(2n)(c) = 0 und f(2n+1)(c)0, dann besitzt f in c einen Wendepunkt.

Beweis. Wendet man auf f den Satz 7.17 an, dann erhält man sofort die gewünschte Behauptung.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

(e) Unendlichkeitsstellen

Definition. (Unendlichkeitsstelle) Sei a < b und a c b und f in (a,b) \{c} definiert. (1)

Ist c = a bzw. c = b, dann besitzt f in c eine rechtsseitige (bzw. linksseitige) Unendlichkeitsstelle
=Df lim xc x>_0 f(x) = ± (bzw. lim xc x<0 f(x) = ± ). (2) Ist a < c < b, dann besitzt f in c eine Unendlichkeitsstelle oder Polstelle =Df
f besitzt in c eine rechtsseitige und eine linksseitige Unendlichkeitsstelle.

(f) Verhalten im Unendlichen

Hierzu sind die Limites lim xf(x) und lim x-f(x) zu berechnen, falls die Grenzwerte existieren.

Beispiel einer Kurvendiskussion.

Sei f(x) = 1 1 - x2.

Der Definitionsbereich ist IR \{-1, 1}; Nullstellen sind nicht vorhanden.

(a). Monotonie

Wir bilden zunächst

     f(x) = - -2x (1 - x2)2 = 2x (1 - x2)2.

Für x = ±1 sind die Ableitungen nicht definiert. Ist x ± 1, dann ist der Nenner von f positiv, und damit gilt: Wenn x < -1, so f(x) < 0 f ist in (-,-1) streng monoton fallend; wenn - 1 < x < 0, so f(x) < 0 f ist in (-1, 0) streng monoton fallend; wenn 0 < x < 1, so f(x) > 0 f ist in (0, 1) streng monoton wachsend; wenn 1 < x, so f(x) > 0 f ist in (1,) streng monoton wachsend.

(b). Konvexität

Wir bilden f(x) und benutzen Satz 7.14 und das Korollar zu diesem Satz. Es ist

     f(x) = 2 (1 - x2)2 - 2x 2(1 - x2)(-2x) (1 - x2)4 = 2 + 6x2 (1 - x2)3.

Der Zähler von f ist stets positiv; der Nenner ist in (-1, 1) negativ, sonst (außer in ± 1 ) positiv. Folglich gilt:

Wenn x < -1, so f(x) < 0 f ist in (-,-1) streng konvex von oben; wenn - 1 < x < 1, so f(x) > 0 f ist in (-1, 1) streng konvex von unten; wenn 1 < x, so f(x) < 0 f ist in (1,) streng konvex von oben.

(c). Lokale Extrema

Um die kritischen Stellen zu ermitteln, setzen wir zunächst

     f(x) = 0 = 2x (1 - x2)2 x = 0.

Also höchstens an der Stelle x = 0 besitzt f ein lokales Extremum. Wir überprüfen jetzt die hinreichende Bedingung. Es ist f(0) = 2 > 0, folglich besitzt f in x = 0 ein lokales Minimum. Der Extremwert selbst (also das lokale Minimum) ist f(0) = 1.

(d). Wendepunkte

Die Gleichung f(x) = 0 besitzt keine Lösung, folglich hat f keinen Wendepunkt.

(e). Unendlichkeitsstellen

Hier kommen höchstens die Stellen ± 1 in Frage, da der Nenner von f an diesen Stellen null wird. Es ist

     lim x-1 x<-1 f(x) = - und lim x-1 x>-1 f(x) = ,

     lim x1 x<1 f(x) = und lim x1 x>_1 f(x) = -.

(f). Verhalten im Unendlichen

     lim x 1 1 - x2 <0 = 0 und lim x- 1 1 - x2 <0 = 0.

Insgesamt haben wir über f folgende Informationen:

Definitionsbereich: D(f) = IR \{-1, 1}, Nullstellen von f : keine,

Monotoniebereiche: In (-,-1) und in (-1, 0) ist f streng monoton fallend, in (0, 1) und in (1,-) ist f streng monoton wachsend.
Konvexitätsbereiche: In (-,-1) und in (1,) ist f streng konvex von oben, in (-1, 1) ist f streng konvex von unten.
lokale Extrema: In x = 0 besitzt f ein lokales Minimum der Größe f(0) = 1.
Wendepunkte: f besitzt keine Wendepunkte.
Unendlichkeitsstellen: In - 1 besitzt f den linksseitigen und rechtsseitigen Grenzwert - bzw. , in 1 besitzt f den linksseitigen und rechtsseitigen Grenzwert bzw. -.
Verhalten im Unendlichen: Für x ± strebt f(x) von unten gegen null.

Aus diesen Informationen kann man den groben Verlauf der Funktion skizzieren. (vgl. hierzu Abb. 7.14)

 

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7.4 Differenzierbarkeit der Grenzfunktion bei Folgen und Reihen von Funktionen

Satz 7.22 (Differenzierbarkeit der Grenzfunktion) Sei a < b, I = [a,b] und (fn) eine Folge von Funktionen, die in dem Intervall I definiert sind. Dann gilt :

  (1)

Konvergiert fn(c) für ein c I und sind alle fn in I differenzierbar und ist (fn) in I gleichmäßig konvergent gegen eine Funktion g, dann gibt es eine differenzierbare Funktion f, so daß (fn) in I gleichmäßig gegen f konvergiert, und es ist f(x) = lim nfn(x) = g(x) = lim nfn(x). (Vertauschbarkeit des Limes mit der Differentiation)

  (2)

Konvergiert n=0f n(c) für ein c I und sind alle fn in I differenzierbar und ist n=0f n(x) in I gleichmäßig konvergent gegen eine Funktion g, dann gibt es eine differenzierbare Funktion f, so daß n=0f n(x) in I gleichmäßig gegen f konvergiert, und es ist f(x) = n=0f n(x) = g(x) = n=0f n(x). (eine solche Reihe darf gliedweise differenziert werden)

Beweis. (1). Wir zeigen zunächst, daß (fn) in I gleichmäßig gegen eine Funktion f konvergiert.

Dazu sei ε > 0 und ε := ε 2(b - a) . Dann erhält man (unter Ausnutzung des 1. Mittelwertsatzes der Differentialrechnung) für alle x I und für hinreichend große m,n:

     |fm(x) - fn(x)| = |fm(x) - fm(c) + fm(c) - fn(c) + fn(c) - fn(x)|

      |fm(c) - fn(c)|<ε 2 (wegen der Konvergenz von (fn) in c)

      + |(fm - fn)(x) - (fm - fn)(c)|=|(x-c)(fm-fn)(ξ)| (für ein ξ zwischen x und c)

      < ε 2 + |x - c||b-a||fm(ξ) - f n(ξ)| <ε (für alle x I )

      < ε 2 + |b - a| ε 2(b - a) = ε.

Nach dem Cauchyschen Konvergenzkriterium existiert eine Funktion f, so daß (fn) in I gleichmäßig gegen f konvergiert.

Es bleibt noch zu zeigen, daß f in I differenzierbar und f = g ist.

Sei c I und gn(x) = fn(x)-fn(c)   f�ur x ←�= c,
   x′-c  fn(c)     f�ur x = c.

Da f in c differenzierbar ist, existiert der Limes des Differenzenquotienten, folglich ist gn in c stetig. Wir zeigen zunächst, daß (fn) in I gleichmäßig konvergiert.

Dazu sei ε > 0 und m,n seien hinreichend groß. Für x = c gilt dann

     |gm(x) - gn(x)| = |fm(x) - f n(x)| < ε.

Für xc erhält man

     |gm(x) - gn(x)| = fm(x) - fm(c) x - c -fn(x) - fn(c) x - c

      = (fm - fn)(x) - (fm - fn)(c) x - c

      = |(fm - fn)(ξ)| (1. Mittelwertsatz der Differentialrechnung)

      = |fm(ξ) - f n(ξ)|

      < ε. ( (fn) ist in I gleichmäßig konvergent)

Folglich ist (gn) nach dem Cauchyschen Konvergenzkriterium für Funktionenfolgen (Satz 5.18) gleichmäßig konvergent in I. Also gilt für xc

     g(x) = lim ngn(x) = lim nfn(x) - fn(c) x - c

      = 1 x - c lim fn(x) - lim fn(c) = f(x) - f(c) x - c .

Aus der Stetigkeit der Funktionen gn in c und der gleichmäßigen Konvergenz von (gn) folgt die Stetigkeit der Grenzfunktion g in c. Hieraus erhält man für xc

     g(c) = lim xcg(x) = lim xcf(x) - f(c) x - c .

Damit existiert die 1. Ableitung von f an der Stelle c, und es gilt f(c) = g(c).

(2). Setzt man Fn(x) := i=0nf i(x), dann ist nach Voraussetzung die Folge Fn(c) konvergent, alle Fn sind in I differenzierbar, Fn(x) = i=0nf i(x), und (Fn) konvergiert in I gleichmäßig gegen g.

Nach (1) existiert dann eine differenzierbare Funktion f, so daß (Fn) in I gleichmäßig gegen f konvergiert, und es ist

     f(x) = lim nFn(x) = g(x) = lim nFn(x).

Daraus erhält man sofort

     f(x) = n=0f n(x) = g(x) = n=0f n(x).   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Satz 7.23 (Differentiation einer Potenzreihe) Sei f(x) = n=0a n(x - a)n eine (reelle) Potenzreihe mit dem Konvergenzradius > 0. Dann gilt :

  (1)

f ist in (a - ,a + ) differenzierbar und f(x) = n=1na n(x - a)n-1. (f kann gliedweise differenziert werden)

  (2)

Der Konvergenzradius von n=1na n(x - a)n-1 ist ebenfalls .

Beweis. (1). Wir zeigen zunächst, daß f an der Stelle a differenzierbar ist. Es gilt

     f(x) - f(a) x - a = 1 x - a n=1a n(x - a)n = n=1a n(x - a)n-1 .

Da durch Potenzreihen stetige Funktionen dargestellt werden, ist

     lim xaf(x) - f(a) x - a = a1 = f(a).

(Siehe Korollar zu Satz 5.21 und das Lemma zum Identitätssatz für Potenzreihen.)

Um die Differenzierbarkeit von f an einer beliebigen Stelle b (a - ,a + ) mit ba nachweisen zu können, benutzen wir den Umordnungssatz für Potenzreihen (Satz 4.24), indem wir die Ausgangsreihe nach Potenzen von x - b umordnen.

Es sei := -|b - a| (> 0). Für jedes x (b - ,b + ) gilt dann

     n=0a n(x - a)n = n=0b n(x - b)n :=g(x) , wobei bn = m=na mm n (b - a)m-n.

Nach den vorhergehenden Überlegungen ist g(x) wenigstens an der Stelle b differenzierbar, und es ist

     g(b) = b 1 = m=1a mm 1 (b - a)m-1 = n=1na n(b - a)n-1 .

Wegen f(x) = g(x) für alle x (b - ,b + ) ist g(b) = f(b).

(2). Offenbar ist die (formal gliedweise) differenzierte Potenzreihe n=1na n(x - a)n-1 an jeder Stelle b (a - ,a + ) konvergent, folglich ist ihr Konvergenzradius . Wäre er > , dann gäbe es ein c mit |c - a| > , so daß n=1na n(c - a)n-1 und somit auch n=1na n(c - a)n absolut konvergieren. Für n 1 gilt offenbar

     |an(c - a)|n |na n(c - a)|n .

Mit Hilfe des Majorantenkriteriums erhält man die Konvergenz von an(x - a)n an der Stelle c. PICT   !

Folglich haben f(x) = n=0a n(x - a)n und f(x) = n=1na n(x - a)n-1 den gleichen Konvergenzradius.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Korollar. Sei f(x) = n=0a n(x - a)n eine Potenzreihe mit dem Konvergenzradius > 0. Dann ist f in (a - ,a + ) beliebig oft differenzierbar, und es ist

f(k)(x) = m=0a n(x - a)(k) = n=kn(n - 1)(n - k + 1)a n(x - a)n-k

    = k! n=kn k(x - a)n-k = k! m=0k + m k (x - a)m .

Beweis. Den Beweis führt man leicht mit Hilfe des vorhergehenden Satzes induktiv über k.   <mi 
>P</mi><mi >I</mi><mi >C</mi><mi >T</mi>

Schwerpunkte für die Wiederholung von Kapitel 7