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Brückenkurs » 15 Ungleichungen

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Erklärungen

In Kapitel 5 hatten wir Gleichungen eingeführt als "ein Term = ein (anderer) Term". Ganz ähnlich funktioniert es für Ungleichungen. Allerdings gibt es hier vier Varianten:
  • "ein Term < ein (anderer) Term"
  • "ein Term \leq ein (anderer) Term"
  • "ein Term > ein (anderer) Term"
  • "ein Term \geq ein (anderer) Term"

Die Vergleichszeichen oder auch Relationszeichen heißen:
  • Kleinerzeichen: < (gesprochen: "kleiner als", manchmal auch "echt kleiner als")
  • Kleinergleichzeichen: \leq (gesprochen: "kleiner gleich")
  • Größerzeichen: > (gesprochen: "größer als", manchmal auch "echt größer als")
  • Größergleichzeichen: \geq (gesprochen: "größer gleich")
Merke: Die Vergleichszeichen sind immer zur größeren Seite geöffnet.

Auch "ein Term \neq ein (anderer) Term" (mit dem Ungleichheitszeichen \neq) ist natürlich eine Ungleichung. Allerdings wird sie meist nicht gesondert behandelt, weil man ja nur die zugehörige Gleichung lösen muss. Alles, was dabei nicht Lösung ist, ist dann Lösung der Ungleichung.


Wie bei Gleichungen ist es auch bei Ungleichungen meist die Aufgabe, diejenigen Werte der Variablen zu ermitteln, für die die Ungleichung wahr wird. Anders formuliert: Man möchte die Lösungen der Ungleichungen finden. Grundsätzlich behandelt man Ungleichungen genauso wie Gleichungen, nämlich mit Äquivalenzumformungen. Allerdings gibt es einige wenige Unterschiede zu beachten:
  • Vertauscht man die beiden Seiten einer Ungleichung, muss auch das Vergleichszeichen "umgedreht" werden. Ein (einfaches) Beispiel: Aus 4>2 wird naheliegenderweise 2<4
  • Bei Multiplikation mit negativen Zahlen muss das Vergleichszeichen ebenfalls "umgedreht" werden. Dies schließt die Division mit ein. Beispiel: Aus 4>2 wird -4<-2
  • Sind beide Seiten einer Ungleichung positiv (bzw. negativ) führt auch die Bildung von Kehrwerten dazu, dass das Vergleichszeichen "umgedreht" werden muss. Haben beide Seiten unterschiedliche Vorzeichen, bleibt das Vergleichszeichen, wie es ist. Beispiele: Aus 4>2 folgt \frac{1}{4}<\frac{1}{2}, aber bei 4>-2 gilt \frac{1}{4}>-\frac{1}{2}
Diese Regeln gelten natürlich auch für die anderen Vergleichszeichen und wenn Variablen etc. in der Ungleichung enthalten sind. Dann ist es allerdings meist nicht mehr ganz so offensichtlich wie hier...
Nur der Sicherheit halber sei nochmal betont, dass natürlich auch bei Ungleichungen alle Umformungen auf beiden Seiten durchgeführt werden müssen, damit sich die Lösungsmenge nicht ändert.

Randbemerkung: Da in diesem Lernmodul nur recht einfache Ungleichungen behandelt werden, reichen die oben genannten Fälle, bei denen das Vergleichszeichen "umgedreht" werden muss, aus. Werden die Ungleichungen anspruchsvoller, kommen weitere Umformungen hinzu, nämlich jene, die auf der Anwendung streng monoton fallender Funktionen beruhen. Außerdem muss dann überlegt werden, was bei Funktionen, die nicht streng monoton sind, passiert. Aber das ist ein anderes Kapitel...


Ein paar Worte zur Lösungsmenge einer Ungleichung: Auch hier zeigt sich ein Unterschied zu Gleichungen. Während "normal lösbare" Gleichungen, wie sie in diesem Lernmodul betrachtet wurden, eine endliche Anzahl von Lösungen haben (z. B. quadratische Gleichungen mit einer oder zwei Lösungen), umfasst die typische Lösungsmenge bei Ungleichungen unendlich viele Zahlen. Das liegt daran, dass in Ungleichungen Größenvergleiche formuliert werden, also alle Zahlen gesucht werden, die kleiner (oder größer) als etwas Anderes sind und davon gibt es meistens eine ganze Menge... Betrachtet man Ungleichungen im Bereich der reellen Zahlen ist die Lösungsmenge meist ein Intervall. In vielen Fällen ist es eine sehr sinnvolle Idee, die Lösungsmenge auf dem Zahlenstrahl zu veranschaulichen.

Beispiele und Lösungsstrategien für verschiedene Arten von Ungleichungen

Im Folgenden werden anhand von Beispielen Lösungsstrategien für verschiedene Arten von Ungleichungen eingeführt. Wenn Sie Schwierigkeiten haben, die Ungleichungsarten zu erkennen und auseinanderzuhalten, schauen Sie bitte in den entsprechenden Gleichungskapiteln nach. Quadratische Ungleichungen sind aus den gleichen Gründen "quadratisch" wie quadratische Gleichungen...

Lineare Ungleichungen

Zunächst also lineare Ungleichungen:

1. Beispielaufgabe:
Bei einer Matheklausur gibt es pro richtiger Aufgabe 5 Punkte. Vorab konnten 8 Bonuspunkte erarbeitet werden. Wie viele Aufgaben müssen mindestens richtig gelöst werden, wenn zum Bestehen 50 Punkte nötig sind?
Anmerkung: Wir gehen der Einfachheit halber davon aus, dass es keine Teilpunkte für halbrichtig gelöste Aufgaben gibt.

Lösung:
Zu lösen ist die Ungleichung 8+5x \geq 50 , wobei für x nur natürliche Zahlen größer 0 eingesetzt werden dürfen, weil ja keine Teilpunkte vergeben werden und wir davon ausgehen können, dass die Klausur aus mindestens einer Aufgabe besteht.

\begin{array}{rclcl} \mathbb{D} &=& \mathbb{N^+} \\ \\ 8+5x & \geq & 50 & \vert & -8 \\ 5x & \geq & 42 & \vert & \cdot \frac{1}{5} \\ x & \geq & \frac{42}{5} = 8{,}4 \\ \\ \mathbb{L} &=& \{9; 10; 11; \dots\} \end{array}

Bemerkung: Sie sehen, dass der Lösungsweg quasi identisch zum Lösungsweg der entsprechenden linearen Gleichung ist. Wichtig ist noch, die 8{,}4 auf 9 aufzurunden, weil ja nur natürliche Zahlen als Lösungen zugelassen waren. Es muss trotz der 4 in der Nachkommastelle aufgerundet werden, weil ja nach "mindestens" gefragt war.


Abwandlung der 1. Beispielaufgabe:
Wie ändert sich die Lösung, wenn Sie erfahren, dass die Klausur 12 Aufgaben umfasst?

Lösung:
Die zu lösende Gleichung inklusive Lösungsweg bleibt gleich, weil sich an der Punkteverteilung ja nichts geändert hat. Was sich ändert, ist der Definitionsbereich: Es kommen nun nicht mehr alle natürlichen Zahlen größer 0 als Lösungen infrage, sondern nur noch die natürlichen Zahlen zwischen 1 und 12 (jeweils eingeschlossen). Formal geschrieben lautet der Definitionsbereich also: \mathbb{D}=\{1; 2; 3; \dots; 10; 11; 12\}
Das hat (natürlich) Auswirkungen auf die Lösungsmenge: Berechnet haben wir, dass Zahlen größer oder gleich 9 die Ungleichung erfüllen. Davon gibt es im Definitionsbereich aber gar nicht so viele, nämlich nur 9, 10, 11 und 12 . Da nur Zahlen, die im Definitionsbereich liegen, überhaupt als Lösungen infrage kommen, lautet die Lösungsmenge also: \mathbb{L} &=& \{9; 10; 11; 12\}


2. Beispielaufgabe:
Zu lösen ist 5(-y+3)>-3\left(\frac{2y}{3}-7\right) mit \mathbb{D}=\mathbb{R}

Lösung:
\begin{array}{rclcl} 5(-y+3) &>& -3\left(\frac{2y}{3}-7\right) \\ -5y+15 &>& -2y+21 & \vert & -15+2y \\ -3y &>& 6 & \vert & \cdot\left(-\frac{1}{3}\right) \\ y &<& -2 \\ \\ \mathbb{L} &=& \rbrack\infty;-2\lbrack \end{array}

Bemerkung 1: Ganz wichtig: Bei der Umformung zur letzten Zeile muss das Vergleichszeichen "umgedreht" werden, weil mit einer negativen Zahl multipliziert wurde!
Bemerkung 2: Wir haben berechnet, dass alle Zahlen aus dem Definitionsbereich, die kleiner sind als -2, die Ungleichung lösen. Die Lösung ist also ein Teilbereich der reellen Zahlen, was man am besten als Intervall aufschreibt. Nach unten gibt es dabei keine Grenze. Mathematisch schreibt man dafür -\infty . Wichtig ist auch, dass die -2 nicht Teil der Lösungsmenge ist, weil in der letzten Zeile der Rechnung ein Kleiner- und kein Kleinergleichzeichen steht.

Quadratische Ungleichungen

Es gibt verschiedene Wege, quadratische Ungleichungen zu lösen. Wir beschränken uns hier auf einen, der relativ anschaulich ist und sich leicht auf weitere Arten von Ungleichungen übertragen lässt.

Beispielaufgabe:
Zu lösen ist \frac{1}{8}\left(2x^2-8\right)<x+2 mit \mathbb{D}=\mathbb{R}

Lösung:
Wir betrachten die linke und die rechte Seite der Ungleichung jeweils als Funktion, also f_L(x)=\frac{1}{8}\left(2x^2-8\right) und f_R(x)=x+2 und zeichnen die zugehörigen Graphen in ein Koordinatensystem (links). Gleichzeitig kann man die Ungleichung so umformen, dass auf der rechten Seite nur noch 0 steht: \frac{1}{4}x^2-x-3<0 und ebenfalls den Graphen zur dazu passenden Funktion f(x)= \frac{1}{4}x^2-x-3 zeichnen (Koordinatensystem rechts). Das sieht dann so aus:
Grafische Lösung der Ungleichung
Man sieht in der linken Grafik, dass f_L(x) zwischen -2 und 6 kleiner als f_R(x) ist. Die Lösungsmenge lautet daher \mathbb{L}=\;\rbrack-2;6\lbrack (Es handelt sich um ein offenes Intervall, was daran liegt, dass die Ungleichung ein Kleiner- und kein Kleinergleichzeichen enthält.). Alternativ suchen wir in der rechten Grafik den Bereich, in dem f(x) kleiner als 0 ist. Die Lösung der Ungleichung lässt sich also direkt aus der Grafik ablesen - mit der Einschränkung, dass das natürlich nur funktioniert, wenn die Schnittpunkte bei "glatten" Zahlenwerten liegen (werden wir gleich bestätigen). Lägen die Schnittpunkte z. B. bei -1{,}9897 und 6{,}001203 , hätten wir mit dieser Methode keine Chance... Trotzdem lohnen sich Zeichnungen in vielen Fällen, vor allem auch bei komplizierteren Ungleichungen, weil man dadurch zumindest eine Idee bekommt, wie die Lösung aussehen muss.


Rechnerisch nähern wir uns der Lösung, indem wir die zugehörige quadratische Gleichung betrachten, am geschicktesten direkt von der bereits umgeformten Ungleichung: \frac{1}{4}x^2-x-3=0 . Darüber lassen sich nämlich die Stellen, an denen f(x) Nullstellen hat, was ja den Rändern des Lösungsintervalls entspricht, exakt ermitteln. Wie man oben in der rechten Grafik sieht, ist die Funktion zwischen zwei Nullstellen entweder immer positiv oder immer negativ. D. h., wir müssen dann nur noch untersuchen, welcher Fall in welchem Teilintervall eintritt (Kleine Einschränkung: Das funktioniert nicht, wenn die Funktion Sprungstellen etc. haben sollte, aber solche Funktionen betrachten wir hier nicht.). Also:

\begin{array}{rclcl} \frac{1}{4}x^2-x-3 &=& 0 & \vert & \cdot 4 \\ x^2-4x-12 &=& 0 \\ x_{1,2} &=& 2\pm\sqrt{4+12} \\ x_{1,2} &=& 2\pm\sqrt{16} \\ x_{1,2} &=& 2\pm4 \\ \\ x_1 &=& 2+4 \; = \; 6 \\ x_2 &=& 2-4 \; = \; -2 \end{array}

Diese Werte liefern uns drei Intervalle:
Von -\infty bis zur ersten Nullstelle: I_1=\;\rbrack-\infty;-2\lbrack
Zwischen den Nullstellen: I_2=\;\rbrack-2;6\lbrack
Von der zweiten Nullstelle bis +\infty : I_3=\;\rbrack6;\infty\lbrack

Bemerkung 1: -2 und 6 werden nicht in die Intervalle eingeschlossen, weil wir ja gerade berechnet haben, dass dort f(x)=0 gilt. Gleichheit war aber in der ursprünglichen Ungleichung nicht gefragt. Bei Ungleichungen, die ein Kleinergleich- oder Größergleichzeichen enthalten, müssten die Nullstellen in die Intervalle eingeschlossen werden.
Bemerkung 2: Diese Dreiteilung des Lösungsbereiches ist typisch für quadratische Ungleichungen. Wenn Sie sich an den klassischen Verlauf von Parabeln erinnern, wissen Sie auch warum. Die Lösung besteht dann entweder aus dem mittleren Intervall oder den beiden äußeren.

Nun müssen wir noch überprüfen, wo f(x) größer als 0 und wo f(x) kleiner als 0 ist, denn das war ja die eigentliche Frage. (Letztendlich kann man das natürlich auch aus den Grafiken oben ablesen, aber hier soll ein vollständiger Rechenweg gezeigt werden.) Das machen wir, indem wir einzelne Werte aus den drei Intervallen einsetzten. Welche Zahlen wir dabei nehmen, ist egal, denn innerhalb der Intervalle gibt es ja entweder nur positive oder nur negative Funktionswerte. Sie dürfen sich also jeweils eine Zahl aussuchen, mit der es sich besonders schön weiterrechnet.

Für I_1 nehmen wir -4: f(-4)=\frac{1}{4}\cdot 16+4-3=5>0 Also kommt I_1 nicht als Lösung infrage.
Für I_2 nehmen wir 0: f(0)=\frac{1}{4}\cdot 0-0-3=-3<0 Hier passt es: I_2 kommt als Lösung infrage.
Für I_3 nehmen wir 8: f(8)=\frac{1}{4}\cdot 64-8-3=5>0 Also kommt I_3 auch nicht als Lösung infrage.

Die Lösung ist also \mathbb{L}=\;\rbrack-2;6\lbrack

Bemerkung: Warum gerade diese Zahlen? 0 ist eigentlich immer eine gute Option, weil damit alle Produkte wegfallen. -4 und 8 haben den Vorteil, dass sie die betragsmäßig kleinsten Zahlen aus den beiden Intervallen sind, die quadriert durch 4 teilbar sind. Anders gesagt: Für diese Zahlen liefert \frac{1}{4}x^2 eine ganze Zahl und keinen Bruch. Man könnte für I_3 natürlich auch mit \frac{6{,}12^2}{4}=\frac{37{,}4544}{4} oder mit \frac{7^2}{4}=\frac{49}{4} weiter rechnen, wäre vollkommen korrekt - aber wenn die Alternative \frac{8^2}{4}=16 ist...

Betragsungleichungen

Zum Lösungen von Ungleichungen, die Terme mit Beträgen enthalten, braucht man sogenannte Fallunterscheidungen, denn der Betrag ist ja unterschiedlich definiert, je nachdem, ob der Term im Betrag positiv bzw. 0 oder negativ ist. Bei Zahlen lässt sich das ja ohne Weiteres entscheiden, sodass der Betrag dann leicht berechnen werden kann. Durch die Variablen ist das hier nicht ganz so einfach.

Beispielaufgabe:
Schauen wir uns \left| 2x-1\right|\geq 1+3x an.

Lösung:
Will man diese Ungleichung lösen, muss man den Betrag auflösen. Dabei hilft die Definition des Betrages:
\left|a\right|=a , wenn a\geq 0 und
\left|a\right|=-a , wenn a<0

Da wir nicht wissen können, ob 2x-1 negativ oder nichtnegativ ist, schauen wir uns einfach beide Fälle separat an. Das nennt man eine Fallunterscheidung.

1. Fall: Wir nehmen an 2x-1\geq 0 oder alternativ x\geq\frac{1}{2} (was das gleiche ist, nur ein bisschen umgeformt). Jetzt greift nämlich die erste Zeile der Betragsdefinition: Da der Term im Betrag in diesem Fall positiv ist, dürfen die Betragsstriche weggelassen werden. Dadurch vereinfacht sich die Ungleichung zu

\begin{array}{rclcl} 2x-1 & \geq & 1+3x & \vert & -3x+1 \\ -x & \geq & 2 & \vert & \cdot (-1) \\ x & \leq & -2 \end{array}

Das sieht nach einem schönen Ergebnis aus - ist es aber leider nicht. Wir hatten ja oben bei der Fallunterscheidung angenommen, dass x\geq\frac{1}{2} . Das bedeutet, dass nur solche Zahlen überhaupt als Lösungen infrage kommen. Die Frage, die nun noch beantwortet werden muss, ist also: Gibt es Zahlen für die beide Bedingungen gelten? Oder konkret für dieses Beispiel: Gibt es Zahlen, die kleiner oder gleich -2 und größer oder gleich \frac{1} {2} sind? Eindeutige Antwort: Solche Zahlen kann es nicht geben! Sie müssten ja gleichzeitig positiv und negativ sein... Also gibt es im 1. Fall keine Lösungen: \mathbb{L}_1=\emptyset

2. Fall: Wir nehmen an 2x-1< 0 oder alternativ x<\frac{1}{2} (auch hier nur ein bisschen umgeformt). Hier müssen wir die zweite Zeile der Betragsdefinition anwenden: Wir schreiben ein Minuszeichen vor den Term und dürfen dafür die Betragsstriche weglassen. Wichtig ist, an die Klammern zu denken, weil sich das Minuszeichen ja auf den gesamten Term auswirken soll. Dadurch vereinfacht sich die Ungleichung zu

\begin{array}{rclcl} -(2x-1) & \geq & 1+3x \\ -2x+1 & \geq & 1+3x & \vert & -3x-1 \\ -5x & \geq & 0 & \vert & \cdot \left(-\frac{1}{5}\right) \\ x & \leq & 0 \end{array}

Auch nun müssen wir natürlich das Rechenergebnis mit der Bedingung, die sich aus der Fallunterscheidung ergeben hat, abgleichen, um eine Aussage über Lösungen treffen zu können. Beide Bedingungen müssen erfüllt sein. Frage: Gibt es Zahlen, die sowohl kleiner als \frac{1} {2} als auch kleiner oder gleich 0 sind? Hier haben wir Glück, denn alle Zahlen, die kleiner oder gleich 0 sind, sind natürlich auch kleiner als \frac{1} {2} . Die Lösungsmenge lautet hier: \mathbb{L}_2=\;\rbrack-\infty;0\rbrack

Letzter Schritt: Um zur Lösungsmenge der ursprünglichen Ungleichung zu kommen, müssen die beiden Teillösungsmengen zusammengefügt werden. Das tut man mathematisch, indem man die Vereinigungsmenge der beiden Mengen bildet:
\mathbb{L}=\mathbb{L}_1\cup\mathbb{L}_2=\emptyset\;\cup\;\rbrack-\infty;0\rbrack=\;\rbrack-\infty;0\rbrack

Bemerkung: Das Bilden der Vereinigungsmenge ist bei dieser Aufgabe ein bisschen witzlos, weil \mathbb{L}_1 ja leer ist. Es können zu \mathbb{L}_2 also gar keine Elemente hinzukommen. Trotzdem gehört dieser Schritt zum vollständigen Lösungsweg dazu. Meist hat man es ja auch mit Teillösungsmengen zu tun, bei denen sich das vereinigen lohnt...

Noch ein paar Worte zu Fallunterscheidungen

Fallunterscheidungen sind grundsätzlich nichts Geheimnisvolles oder Schlimmes. Sie sind dazu da, verschiedene Fälle, in denen unterschiedlich weiter gerechnet oder argumentiert werden muss, voneinander zu trennen. Vergisst man das, entstehen üblicherweise Fehler, weil man zu viele Dinge über einen Kamm schert. Multipliziert man beispielsweise eine Ungleichung mit der Variablen x\in\mathbb{R} , kann man nicht wissen, ob das Vergleichszeichen "umgedreht" werden muss oder nicht, weil man ja nicht weiß, ob x positiv oder negativ ist. Es könnte sogar sein, dass die Multiplikation überhaupt nicht zulässig ist, nämlich wenn x=0 gilt. Ohne Fallunterscheidung "verliert" man dadurch entweder Lösungen oder man hat am Ende zu viele - beides nicht gut... Eine saubere Fallunterscheidung führt zudem dazu, dass die Aufgabe danach einfacher ist als vorher. Beispielsweise hat die Fallunterscheidung bei der letzten Beispielaufgabe oben dazu geführt, dass wir keinen Betrag mehr in der Ungleichung hatten. Es blieben zwei kleine lineare Ungleichungen übrig, die in wenigen Schritten gelöst werden konnten.
Natürlich kann es Aufgaben geben, bei denen mehr als zwei Fälle unterschieden werden müssen. Das funktioniert vom Prinzip her genauso.

Zwei Dinge müssen allen Fallunterscheidungen beachtet werden:
  1. Es muss jeder Wert aus dem Definitionsbereich in der Fallunterscheidung beachtet werden. Zum Beispiel hatten wir oben x\geq\frac{1}{2} und x<\frac{1}{2} , was demnach eine gute Fallunterscheidung ist, weil jede reelle Zahl entweder größer bzw. gleich \frac{1} {2} oder kleiner als \frac{1} {2} ist. Hätten wir stattdessen x>\frac{1}{2} und x<\frac{1}{2} gewählt, wäre keine Aussage über x=\frac{1}{2} möglich gewesen. Umgekehrt wäre die Zahl \frac{1} {2} bei x\geq\frac{1}{2} und x\leq\frac{1}{2} doppelt berücksichtigt gewesen, was zu Widersprüchen führen kann.
  2. Nach der Fallunterscheidung sind jeweils alle Rechenoperationen und Argumentationen, die mit dieser Voraussetzung arbeiten, erlaubt. Beispiel: Wird bei einer Fallunterscheidung angenommen, dass x\neq 0 ist, darf anschließend bedenkenlos durch x geteilt werden, weil eine Division durch 0 ja ausgeschlossen ist.