Über die Nutzung von Computeralgebrasystemen
Die Gründe für die Ablehnung des Taschenrechners sind mir durchaus bekannt. In meinem Beitrag auf dem Treffen der NetMath-Initiative am 12. Oktober 2016 habe ich mich auch damit beschäftigt und möchte dies hier nicht wiederholen. Ich möchte jedoch auf zwei zusätzliche Aspekte eingehen, die anschließend an diesen Beitrag diskutiert wurden.
Ein Einwand betraf den zusätzlichen Aufwand für ein Computer-Algebra-Systems, insbesondere für die Einrichtung und Wartung sowie für das Erlernen der CAS-Syntax. Dem wäre entgegenzuhalten, dass es frei verfügbare Online-CAS gibt, für deren Nutzung der Installations- und Wartungsaufwand buchstäblich gleich Null ist. Der Aufwand für das Erlernen der Syntax ist, wie ich in diesem Skript zu zeigen hoffe, außerordentlich gering, da die Arbeit im Vorkurs bereits durch wenige Befehle erheblich unterstützt werden kann. Das Erlernen der Befehle wird außerdem erleichtert, wenn für jede Aufgabe höchstens ein neuer Befehl erlernt werden muss, dessen Nutzen auch gleich in einer interaktiven Aufgabe deutlich wird. In jedem Fall dürfte der Aufwand dafür durch die Zeitersparnis bei der Suche nach Rechenfehlern mehr als aufgewogen werden.
Schwieriger ist es, dem Einwand zu begegnen dass viele Studienanfänger Methoden ablehnen, die sie von der Schule nicht gewohnt sind. Dies betrifft nun allerdings nicht nur den Computereinsatz sondern generell alle für sie neuen Lehrformen - bis hin zum selbständigen Nacharbeiten der Vorlesungen. Welche Ansprüche hier gestellt werden muss jede Hochschule und jeder Hochschullehrer selbst entscheiden. Ich gebe dabei jedoch zu bedenken, dass gerade der Vorkurs, mit seinem mehr oder weniger vertrauten Stoff, bessere Möglichkeiten bietet um neue Methoden einzuführen als spätere Veranstaltungen mit ihren vielen neuen Inhalten,
Über die Nutzung von Künstlicher Intelligenz
Seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 hat sich eine lebhafte Diskussion über die Nutzung von generativer künstlicher Intelligenz entwickelt. Derartige Systeme stehen den Studierenden alltäglich zur Verfügung. Viele davon sind kostenlos nutzbar und lassen sich ohne Vorkenntnisse bedienen. Eines der aktuell - im Mai2024 - leistungsfähigsten derartigen Systeme ist der Microsoft Copilot, der insbesondere durch seine Integration in den Microsoft Edge Browser unter Windows jederzeit leicht erreichbar ist. Deshalb wird er in diesem Material verwendet, wohl wissend dass es andere - auch mathematisch leistungsstärkere - KIs gibt.
Die zentrale KI-Herausforderung für die Lehre besteht sicher darin zu erreichen, dass die Nutzung der KI zum besseren Verständnis des Lehrstoffes beiträgt. in Kenntnis der Tatsache, dass Studierende gestellte Hausaufgaben jederzeit an die KI delegieren können. Dies ist umso problematischer, als Studierenden aufgrund ihrer beschränkten Fachkompetenz in der Regel nicht in der Lage sind, die Antworten der KI fachlich zu beurteilen. Auch fehlt ihnen derzeit meist die Kompetenz mit KI-Systeme so zu kommunizieren, dass deren Fähigkeiten effektiv genutzt werden. Beide Arten von Kompetenzen - Fachkompetenz und KI-Kompetenz - sollten den Studierenden möglichst früh in ihrem Studium von ihren Hochschullehrern vermittelt werden.
Dieses Materialzeigt am Beispiel eines Mathematik-Brückenkurses eine Möglichkeit, diese Kompetenzen im Rahmen der Vermittlung des üblichen Lehrstoffes zu vermitteln. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass Brückenkurse kein geeigneter Weg sind, um den Studierenden die erforderlichen KI-Basiskompetenzen zu vermitteln. Dies muss letztlich im Rahmen der regulären Grundkurse erfolgen, die von allen besucht werden (müssen). Ich gehe jedoch davon aus, dass sich die in diesem Material verwendeten Methoden auf derartige Lehrsituationen übertragen lassen.
Unter der Überschrift "Was sagt die KI?" werden in diesem Material Antworten der KI auf einzelne Übungsaufgaben dargestellt und dann diskutiert. Dabei wurden insbesondere Aufgaben ausgewählt, bei denen die Antwort der KI falsch oder unvollständig war. Diese Antworten bieten die Möglichkeit, die zu ihrer Beurteilung erforderliche Fachkompetenz aufzuzeigen und Techniken zur kritischen Beirteilung von KI-Antworten zu demonstrieren. Solche Techniken sind z.B.
- Probe/Kontrolle
- Plausibilitätsbetrachtungen
- Analyse der Korrektheit bzw. Effizienz des Lösungsweges der KI-Antwort
- Überprüfen von Berechnungen mit Hilfe des CAS
- Erzeugen alternativer Antworten
- Prompt Chaining
Über das Zusammenspiel von Online-Aufgaben, Computeralgebrasystemen und Künstlicher Intelligenz
Die Aufgaben in diesem Material sind Varianten von Aufgaben aus einem Standard-Brückenkurs. Sie sollen den Studierenden zum Üben und zur Überprüfung ihrer Kenntnisse dienen. Die Aufgaben sind in der Regel randomisiert, so dass bei jedem Aufruf eine neue Variation der Aufgabe präsentiert wird.
Für das Ausführen komplexer Berechnungen (ggf. auch mit realistischen Daten), Termumformungen und Visualisierungen wird den Studierenden Sage als Online-Computeralgebrasystem zur Verfügung gestellt. Die erforderlichen Sage-Befehle werden im Material vermittelt und im Anhang in einer Übersicht zusammengestellt. Eine Beschränkung auf Aufgaben mit "schönen" Werten ist nicht erforderlich und es spricht nichts dagegen, die hier verwendeten Aufgaben durch ähnliche Aufgaben zu ersetzen, die von realistischen Fragestellungen abgeleitet wurden.
Studierenden, die eine Aufgabe nicht selbständig lösen können, kann empfohlen werden, die Aufgabe an die KI zu übergeben. Die KI antwortet dann meist mit einer Lösung, die detailliert erklärt wird. Ob die Lösung der KI richtig ist, kann der/die Studierende dann leicht in der Online-Aufgabe überprüfen.
Ist dies nicht der Fall, so ergibt sich daraus die Herausforderung zu bestimmen, ob der Lösungsansatz der KI richtig ist (das ist meist der Fall) bzw. an welchen Stellen des Lösungsweges die KI Fehler gemacht hat. Oft sind dies Fehler in Berechnungen, die aber von den Studierenden im Computeralgebrasystem gut nachgeprüft werden können. Manchmal weigert sich die KI auch, bestimmte Berechnungen auszuführen und verweist stattdessen von sich aus auf die Nutzung von Taschenrechnern und Computeralgebrasystemen.
Nach dem Erzeugen einer neuen Variation der Aufgabe können die Studierenden dann noch einmal versuchen, die Aufgabe selbständig zu lösen.
Über die Rolle der Dozenten
Es ist eine alte (e)learning-Weisheit dass selbst die besten Lehrmittel wirkungslos bleiben wenn ihr Einsatz durch die Lehrkräfte nicht verbindlich gefordert und gefördert wird. Allein ihre Bereitstellung nutzt gar nichts. Es ist unumgänglich, Aufgaben zu stellen, die ohne die bereitgestellten oder äquivalente Hilfsmittel nicht gelöst werden können. Ebenso wichtig ist es, den Studierenden zu vermitteln dass der Dozent ihre Leistungen und die Nutzung der angebotenen Hilfen aufmerksam verfolgt.
Jeder Dozent trägt die Verantwortung für seine Kurse. Deshalb ist dieses Skript auch nicht als "Musterkurs" gedacht. Es soll lediglich Anregungen bieten und aktuelle Hilfsmittel in einem möglichen Kontext zeigen. Bitte betrachten Sie dieses Skript als Rohmaterial, das Sie für Ihren Kurs ergänzen und modifizieren können. Alle Inhalte sind entnehm- und anpassbar. Um Inhalte aus diesem Skript in Ihr eigenes Material zu übernehmen, klicken Sie auf das Teilen-Symbol neben dem NetMath-Link, den Sie unten rechts auf den Seiten finden. Sie erhalten dann den Link zum Material sowie HTML-Code für das Einbetten in Ihre Seiten. Für die Anpassung der Skript-Struktur sowie die Entnahme von Aufgaben und Tests berate ich Sie gern im Rahmen der NetMath-Initiative,.